Tänzerin der Nacht - Feehan, C: Tänzerin der Nacht - Night Game
gefiel ihr an ihm, wie behutsam und sanftmütig er mit seiner Großmutter umging. Und, so wahr ihr Gott helfe, sein schräger Sinn für Humor. Das war eine ihrer schlimmsten Schwächen. Sie hatte gern mit Menschen zu tun. Sie genoss die Gesellschaft anderer. Das wusste sie, weil sie das Bedürfnis hatte, sich irgendwo einzufügen. Sie wollte dazugehören.
Raoul Fontenot hatte die Familie, die sich Flame immer gewünscht hatte. Sie liebten sich, sie neckten sich, und ihr Umgang miteinander war liebevoll. Genau danach lechzte sie. Sie brauchte das Gefühl, ein Zuhause und eine Familie zu haben, und er hatte sie an seiner Familie teilhaben lassen. Als sie ihn jetzt stehen ließ und seiner lächelnden Großmutter und seinem vollendeten Heim den Rücken kehrte, war ihre Kehle wie zugeschnürt, und Tränen brannten ihr in den Augen.
»He!« Gator war hinter ihr aufgetaucht und schlang ihr einen Arm um die Schultern. »Ist alles in Ordnung mit dir? Ich dachte, das sei nur Flachs gewesen.«
Sie dachte gar nicht daran, vor seinen Augen zu weinen. Sie würde nach Hause gehen, zu Burrell. Es war zwar vielleicht nicht dasselbe, aber der Flussschiffer brauchte ihre Gesellschaft fast so sehr, wie sie seine Gesellschaft nötig
hatte. Flame schüttelte Gator ab und beschleunigte ihre Schritte, bis sie fast schon zu dem Jeep rannte. Was sie hier tat, war feige, und sie schämte sich dafür. Na und? Sie war ihm keine Erklärung schuldig. Und sie wollte, verdammt noch mal, nicht, dass er nett zu ihr war. Da sie sich reichlich bescheuert vorkam, beugte sie sich aus dem Jeep und sah ihn noch einmal an.
Raoul beobachtete sie und rieb perplex seine frisch nachgewachsenen Bartstoppeln. Er sah sexy aus in seiner engen Jeans und dem Hemd, das über seinen breiten Schultern spannte. »Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob du mich einholen kannst«, rief sie ihm zu und ließ den Motor an.
Er bedachte sie mit einem knabenhaften Grinsen, das ihren Herzschlag aussetzen ließ, und rannte zum Haus. Flame fuhr mit Vollgas vom Hof und ließ eine Staubwolke hinter sich zurück, als sie durch das Tor raste. Sie kannte die Möglichkeiten ihres Motorrads und wusste genau, dass Raoul sie selbst dann einholen würde, wenn sie einen Vorsprung rausholte, aber sie würde es ihm nicht leichter als nötig machen.
Während sie über die Schnellstraße raste, entdeckte sie das freie Feld, das ihr einen gewaltigen Vorteil geben würde. Die Abkürzung würde am Rand eines Sumpfs vorbeiführen und durch eine Reihe von kleinen Wäldern, aber sie würde etliche Meilen einsparen. Sie bog auf den schmalen Feldweg ab und wich einigen Bäumen aus, als sie den Jeep durch das unkrautüberwucherte Feld jagte. Das Fahrzeug schlitterte durch den Morast und schleuderte hinter ihr Schlamm in die Luft, als sie mit hoher Geschwindigkeit ein kleines sumpfiges Gebiet durchquerte.
Sie lachte laut, als wieder ein schlammiger Abschnitt kam und der Jeep im Kreis gedreht wurde, weil es erfrischend war und sie wusste, dass Gator auf ihrem Motorrad über die Schnellstraße brauste. Sie fühlte ihn. Die Verbindung zwischen ihnen war stark, stark genug, um zu wissen, dass er sie hören würde, wenn sie mit ihm in Kontakt trat und flüsterte oder nach ihm rief.
Jetzt hatte sie das riskante Gebiet erreicht, und wenn sie zu Beginn der Kurve eine Spur Gas wegnahm und dann in der Kurve kräftig Gas gab, schlitterte der Jeep beinah seitwärts durch die Kurven. Das Fahrzeug war für jedes Gelände ausgerüstet, und sie setzte ihr gesamtes Können und ihre Geschicklichkeit ein, um mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über den kaum vorhandenen Pfad zu fahren. Der Jeep verlor die Bodenhaftung und prallte wieder auf die Räder, das vordere Ende kippte nach links weg und schleuderte sie nach vorn, jedoch nur, um ein zweites Mal die Bodenhaftung zu verlieren, und diesmal neigte er sich nach rechts. Sie benutzte das Lenkrad als Stütze, doch sie schlug mehrfach hart gegen die Lehne des Sitzes, da sie abwechselnd nach vorn und nach hinten geschleudert wurde. Der Schlamm spritzte in die Luft empor, eine dunkle, weithin sichtbare Fährte, und überzog den Jeep mit einer dicken Pampe.
Sie wagte es nicht, das Gas zurückzunehmen; in dem dicken Schlamm würde sie augenblicklich stecken bleiben, und daher trieb sie den Jeep bis an seine Grenzen, raste mit Vollgas über den schwammigen Untergrund und holperte über den nahezu unsichtbaren Weg. Zweimal traute sie sich in die tiefer gelegenen Bachbetten.
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