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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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nickte, zufrieden, wie es mir vorkam. Die Stimmen begannen, aufgeregter in meinem Kopf zu tuscheln, doch ich verdrängte sie. Mein Retter blieb stehen. Ich deutete auf den Hocker. »Setz dich, es kostet nichts.«
    Er betrachtete die Sitzgelegenheit von allen Seiten. »Darauf?«
    Verständlich, seine Skepsis. Vor einiger Zeit hatte ich einen Fleischklopfer auf den Hocker fallen lassen. Ich tat es ohne Wut, denn aufregen durfte ich mich nicht, obwohl der Frust in mir schon lange einen Weg nach draußen suchte. Der Fleischklopfer hatte eine Kerbe in den schwarzen Lack geschlagen. Darunter hatte ich die natürliche Maserung des Holzes entdeckt. Ich hatte mich im Haushalt bedient, ein paar Sachen zweckentfremdet und die ganze Politur abgeschlagen. Ich hatte sogar versucht, die Oberfläche feinzuschleifen, aber das war mir nur bedingt gelungen. Nun riskierte jeder, der sich auf dem Hocker niederließ, ein paar Holzsplitter im Gesäß. Trotzdem war ich stolz auf mein Werk. Es war das Erste, was ich mit eigenen Händen vollbracht hatte.
    Ich ließ mich selbst auf den Hocker nieder und bot meinem Besucher einen Stuhl an. Mit makelloser Oberfläche. »Ein paar Existenzmarken kann ich immer gebrauchen. Also mach schon, bevor der Preis steigt.«
    Er stellte eine Plastik-Kühltasche auf den Tisch. »Wie geht es dir? Kommst du klar?«
    »Ja. Ich glaube, langsam beginne ich, die einzelnen Wörter zu verstehen, die die Stimmen mir zuflüstern. Wenn ich bekannte Sequenzen ausmachen kann, schreibe ich sie auf. Es ist, als würde ich eine fremde Sprache lernen. Versteht die Magie mich, wenn ich etwas zu ihr sage?« Ich ließ die Kühltasche nicht aus den Augen.
    Überrascht zuckten seine Augenbrauen. »Du denkst also, es wäre die Magie, die mit dir redet?«
    Die Stimmen warnten mich vor etwas. Ich beschloss, ihnen zu vertrauen, denn der Ausdruck in den Augen meines Retters gefiel mir plötzlich ganz und gar nicht. »Ist es keine Magie?«
    »Doch, doch.« Jetzt wich er meinem Blick aus, grübelte. Vermutlich darüber, wie viel er mir sagen sollte. »Aber sie versteht dich nicht. Noch nicht. Doch darum werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt kümmern.«
    »Gibt es noch andere wie mich? Solche, die Magie hören, sie verstehen können?«
    »Ja, die gibt es. Sehr wenige. Aber sie ertragen es nicht so gut wie du. Die meisten von ihnen würde sie verrückt machen. Hast du Hunger?«
    Der Themenwechsel überraschte mich ebenso wie der Ton, in dem er mich gefragt hatte. Plötzlich lief mir das Wasser im Munde zusammen, obwohl Essen das Letzte war, woran ich jetzt denken wollte. »Ja. Aber erstmal gibt es ein paar Dinge, die …«
    »Einen Hunger, der dich verfolgt und nicht gestillt werden kann?«
    Ich schluckte. Seit der Nacht, in der mich die Stimmen zu belagern begannen, spürte ich ein ziehendes Gefühl in der Magengegend, mal stärker, mal schwächer, das ich jedoch stets verdrängte, weil ich dabei unweigerlich an Dinge denken musste, bei denen mir übel wurde.
    Er wiegte den Kopf und sonnte sich in meinen Zweifeln. »Armes Ding. So plötzlich erwachsen. Und alles ist anders. Du musst dich doch richtig ernähren, sonst bist du am Ende vollkommen ausgezehrt.« Er öffnete die Tüte und kramte daraus etwas hervor. Knochen. In Wachspapier eingewickelt, durch das Fleischreste schimmerten.
    Wie makaber dieser Anblick auch war, der Hunger machte meinen Magen zu einer Feuerhölle. Ich merkte, wie ich mir über die Lippen leckte. Dann spürte ich einen Druck in meinem Zahnfleisch, gefolgt von Schmerz. Ich keuchte. Eine neue Zahnreihe brach aus meinem Kiefer hervor, die ich mit meiner Zunge ertastete. Zischend atmete ich durch den Mund, den ich nicht mehr zubekam, ohne den Blick von den Knochen abzuwenden.
    »Nein, nein.« Er nahm sich eine Rippe und nagte daran. »Für dich habe ich etwas Feineres.« Seine andere Hand tauchte in die Tüte und holte einen faustgroßen, ebenfalls eingewickelten Klumpen auf den Tisch. Das Papier zitterte rhythmisch, während ich es wie gebannt anstarrte. Weil das, was darin lag, noch lebte.
    »Komm schon, mach es auf!«, forderte er. »Du glaubst gar nicht, wie viel Mühe es gekostet hat, das Ding so lange am Leben zu erhalten. Aber früher warst du noch nicht bereit dazu.«
    Mit bebenden Fingern wickelte ich das Papier auseinander.
    »Bloß keine Scheu. Bediene dich.«
    Nein! Ich wollte schreien, brachte jedoch nur ein Knurren hervor.
    Das schlagende Herz in meinen Händen. Mit Entsetzen sah ich, was ich

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