Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
Flachbildfernseher. ›Nicht sauber, sondern rein‹, erklärte dort eine paarungswillige Dämonin ihrem Auserwählten und hielt ihm ihre Abstammungsurkunde vor die Nase, bevor es sogleich in stark reduzierter Kleidung zur Sache ging.
Gallagher senkte den Arm mit der Waffe, zögerte einen Augenblick und steckte die Pistole ein. »Musst du diesen Dreck gucken?« Er wandte sich dem Fernseher zu. Ein geknurrtes ›Aus!‹ ließ das Stöhnen und Hecheln abbrechen. »Was ist das für ein Chaos hier?«
»Ah, schön, dass du auch mal aufkreuzt.« Die Fee wischte sich die Hände an dem zerfetzten Sofa-Velours ab und griff nach einem weiteren Popcornstück aus dem Berg, der sich neben ihr auftürmte.
»Wärst du so freundlich, mir zu erklären, was hier passiert ist?«
»Deine Freunde vom Ordnungsamt waren da und haben die ganze Bude auf den Kopf gestellt.«
Unwillkürlich suchte Gallagher nach Halt. »Interne Untersuchungen?«
Mit einem wütenden Surren schraubte sich Friedbert in die Luft. »Was hast du denn gedacht, nach dem Einbruch ins Archiv und der Flucht zweier Verdächtiger? Ehrlich, ich begreife das einfach nicht. Wie hast du es angestellt, dass alles so entsetzlich schiefgelaufen ist? Ihr hattet doch meinen Glücksstaub dabei!«
»Genau. Und Zarah hatte ihn ebenfalls benutzt. Von einem T-Shirt, das sie hier getragen hat. Plus und Plus aus der gleichen Magiequelle ergibt ein dickes Minus. Zarah und Alessa mussten also aneinandergeraten.«
»Zarah, Zarah!«, äffte die Fee ihn nach. »Ich kann den Namen nicht mehr hören. Die Tussi ist die Unglückspest in Person, merkst du das nicht?«
»Sie kann doch nichts dafür.«
»Nur dich in die Scheiße reiten, das kann sie gut. Die Sache im Archiv hat das gesamte Ordnungsamt in Aufruhr versetzt. Und du verduftest einfach so für beinahe zwei Wochen, ohne jemandem etwas zu sagen! Wie verdächtig ist das denn, bitte schön? Jetzt sag schon, was du die ganze Zeit getrieben hast!«
Friedberts intensiv blinkende Sommersprossen verursachten ein Flimmern in seinen Augen. Gallagher schloss die Lider. Zarah. Sie war auch hier, in seiner Dunkelheit, die nur ihm gehören sollte. »Tut mir leid. In der Toten Stadt gab es … Okay. Schweigen wir über die Tote Stadt. Was hast du den Inspektoren gesagt?«
»Dass du auf einer Sauftour bist.«
»Na ganz klasse. Wann waren sie hier?«
»Bereits vor drei Tagen. Aber ich werde einen Teufel tun und während der Raunächte aufräumen.«
»Beruhige dich, das verlangt auch niemand von dir. Haben sie etwas gefunden?« An die Dateien auf seinem Computer sollte keiner allzu schnell herankommen, weswegen seine kleinen Eingriffe in das Sicherheitssystem vermutlich noch ein Weilchen unentdeckt bleiben würden. Was gab es noch, was ihn verraten könnte? Er dachte an die Serviette, die ihn jedes Mal weiß anleuchtete, wenn er die untere Schublade aufmachte. Mit einem Fingernagel waren in das weiche Papier zwei kaum leserliche Wörter geritzt worden: ›Hallo, G.host‹. So oft hielt er das dünne Papier in den Händen und stellte sich vor, wie Zarah es gehalten hatte. Manchmal glaubte er, die Wärme ihrer Finger zu spüren. Hallo, G.host. Zwei Worte, die fast jede Nacht mit ihrer Stimme in seine Träume drangen.
»Natürlich nicht.« Das Surren der Libellenflügel klang weniger wütend, jedoch laut genug, um Zarah aus seinen Gedanken zu vertreiben. Friedbert drehte einen Looping in der Luft und ließ sich auf seinem Schaumstofffetzen nieder. »Ich bin ja deine Gute Fee. Aber den Glücksstaub kannst du von der Tapete überall selbst abkratzen, das sage ich dir!«
»Gut.« Gallagher stieß sich vom Türrahmen ab und machte ein paar Schritte durch das Wohnzimmer. Das Pampasgras und die Scherben knirschten unter seinen Schuhsohlen und gruben sich noch tiefer in den Teppich. In diesem Chaos müsste er eigentlich heimisch sein. Aber das Gefühl wollte sich nicht einstellen. Stattdessen dachte er daran, wie er tagelang an dem Bett ausgeharrt hatte. Wie er das welkende Veilchen in den Fingern gehalten und gehofft hatte. Gehofft hatte, dass alles gut würde.
Er schüttelte den Kopf. Alles war gut. Was für eine Reaktion hatte er denn sonst von einer Dämonin erwartet? »Na dann. Und ich hatte schon befürchtet, du hättest etwas zu wild gefeiert, da du sturmfreie Bude hattest.«
Ein weiteres Popcorn wanderte in Friedberts Arme, doch er aß es nicht, sondern stützte sein Kinn darauf. »Gefeiert, der war gut. Ich habe den Mittwinter allein
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