Tag der geschlossenen Tür
nun wirklich eine Freude.«
»Ja, ich weiß.«
»Dann kommst du bald endgültig hinüber, nicht wahr?«
»Es sieht ganz so aus. Ich bin quasi auf dem Weg. Es kann sich nur noch um Monate handeln. Ich fühl mich ja eigentlich schon so lange schlecht.«
»Wie süß von dir, mir diese Nachricht zum Aufwachen zu bringen. Du bist ein lieber Mann. Wann weißt du denn Genaueres?«
»Tja, ich müsste zum Arzt gehen, um mir Klarheit zu verschaffen.«
»Dann mach das bitte umgehend. Ich möchte es auch so schnell wie möglich wissen.«
Hätte ich doch bloß nichts gesagt. Jetzt macht die tote Fliege mir auch noch Druck. Ich werde sie alle vertrösten. Die Fliege. Den Arzt. Die Hure. Und den Tod. Und das Leben auch. In diesem Spagat werde ich bis in die Ewigkeit ausharren und nie wieder etwas von mir geben.
Ich schließe die Schachtel mit Totelinchen und ignoriere den heftigen Protest und das Trappeln gegen den Deckel. Sie ist äußerst erregt und möchte mich maßregeln. Um sie nicht hören zu müssen, schalte ich den Fernseher an. Schalte ziellos durch die Frequenzen. Auf allen Kanälen sind ausschließlich Ausgeburten des Schwachsinns zu sehen. Gerichtssendungen. Kochsendungen. Wiederholungen von Talentsendungen, die mit sogenannten Superstars, Supermodels und Promis aller Couleur versuchen, die willenlosen Betrachter zu Hause an die Matrix zu binden und dort für immer festzubacken. Die Aufhebung des Lebens durch die ultimative Trance. Andy Warhols Vision ist zum Albtraum mutiert. Es wird aufgeführt: die Verschranzung einer ganzen Nation. Handlung: Die amorphen humanoiden Lappen wandeln in die Schranzenpresswerke, die in den TV-Studios aufgebaut wurden, und die Schranzenmogule falten und kneten und biegen und brechen und lutschen sie zu den kurzzeitigen Megaschranzen von morgen. Wer mag sich das ausgedacht haben? Oder sind das Prozesse, Volkspsychosen, die gewissen metasoziologischen Naturgesetzen folgen und in der Entwicklung von humanoiden Rassen unumgänglich sind auf dem Weg in eine reifere, bewusstere, gerechtere und freiere Zukunft? Vielleicht muss einfach jeder Dreckspfuhl, der denkbar ist, einmal berührt worden sein, damit man sich von ihm befreien kann? Anders ist die stinkende Spur nicht zu erklären, die wir hinterlassen.
Ein genialer Coup
Z um Abend treffe ich mich mit Nowak beim Griechen. Er möchte mich einladen, natürlich ganz ohne Hintergedanken. Zu Beginn unseres Essens bestellt er uns beiden zwei große Biere und zwei Ouzos.
»Keine Sorge – geht auf mich!«
»Vielen Dank, mein Lieber, womit habe ich das denn verdient?«
»Wieso verdient? Einfach nur so, weil du mein Freund bist.«
Wir stoßen an, und er trinkt in einem Zug fast das ganze Bier aus. Er mustert mich und heuchelt Interesse.
»Na. Und was machst du so?«
»Was soll einer wie ich schon machen, ich warte.«
»Worauf?«
»Auf das Leben.«
»Hahaha, das ist gut, da wäre ich gar nicht drauf gekommen. Auf das Leben, hahaha.«
»Was ist denn daran lustig?«
»Äh …«
»Nowak. Worum geht’s hier? Willst du einfach nur essen mit mir, oder führst du was anderes im Schilde?«
»Einfach nur essen.«
»Na gut, dann lass uns essen.«
Er fühlt sich ertappt. Wir warten schweigend auf das Essen. Nowak bestellt sich ein zweites Bier. Er weiß nicht, über was er sich mit mir unterhalten soll, noch wo er hingucken könnte, weil ich ihm ja gegenübersitze. Schließlich fasst er sich ein Herz:
»Na gut, du hast recht, ich hab eine Idee. Eine Idee, von der ich glaube, dass man mit ihr wirklich Geld machen kann.«
»Ich habe nichts gegen Ideen, Nowak. Auch nicht gegen deine. Nur ob ausgerechnet grade ich sie ausführen werde, weiß ich noch nicht.«
»Also pass auf. Dir sagt doch bestimmt der Begriff Samenbank etwas.«
»Ja, den Begriff kenne ich.«
»Ich hab mich da mal ’n bisschen umgehört. Es gibt etwa dreihundert Samenbanken in Deutschland, mit den verschiedensten Samen für die unterschiedlichsten Leute. Die meisten für normale Paare, die keine Kinder kriegen können. So weit, so gut. Aber eine von denen führt andere Samen. Das ist ’ne Samenbank in Berlin, die heißt Dr. Gerber Genstore, die hat ultrateuren Samen. Von Prominenten, von Politikern und von Genies. Von Spitzensportlern und begnadeten Musikern und lauter so Leuten.«
»Aha. Und was haben wir mit denen zu tun? Unseren Samen können wir da ja wohl schlecht anbieten. Samen von erfolglosen Arbeitslosen, Sonderangebot – 20 Cent pro Schuss, oder
Weitere Kostenlose Bücher