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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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mich hindurch nicht mehr. Als ich zum Computer zurückkomme, sehe ich, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Sie ist von Susanne. Aufgeregt öffne ich sie.
     
    Lieber Sonntag,
     
    je öfter ich Deine Kolumnen lese, desto besser gefallen sie mir. Und desto schlechter gefallen sie dem Chef. Letztens hat er mich gefragt, ob ich eigentlich andere Kolumnisten kennen würde. Er sagte, dass er Dein Zeug total krank finden würde. Er wollte wissen, was Du sonst so machst und ob es für deinen Stil eine Rechtfertigung gebe. Ob das angesagt sei, so zu schreiben. Ob er das einfach aushalten müsse, weil junge Menschen so was gut finden würden. Ich hab ihm gesagt, dass Du viel in der Szene unterwegs bist und Dich total auskennen würdest. Dass Du ein Seismograf wärst, auf den man sich stilistisch gut verlassen könne. Da war er dann erst mal wieder ruhig.
    Übrigens: Ich fand die Aktion in der Redaktion sehr lustig, hab sie aber nicht richtig verstanden. Was ist denn das für ein Buch » Marxismus für Manager « ? Und was soll ich damit? Aber Deine Aufmachung war klasse, ich musste echt lachen. Danke für die gute Unterhaltung.
     
    Deine Susanne
     
    Ich hab’s doch gewusst. Sie war es, die Aparte mit der Baskenmütze. Ich hab sie auch schon irgendwo mal gesehen, aber ich weiß nicht mehr, wo. Hübsch sah sie aus und sehr bestimmt. Hab ich vielleicht irgendwas vergessen, was mal zwischen uns gewesen sein könnte? Ich muss sie unbedingt wiedersehen. Wenn sie will. »Deine Susanne«. Ich glaube, sie mag mich und will mir das zeigen. Das kann sie nicht einfach nur so geschrieben haben. Das ist ein Zeichen. Ich beschließe spontan, ihr zurückzuschreiben.
     
    Liebe Susanne,
     
    ich freue mich jedes Mal über Deine Reaktionen, vielen Dank dafür. Ich weiß, dass ich mich mit den Kolumnen ziemlich weit aus dem Fenster lehne, vielleicht will ich die Kündigung ja auch provozieren, um mich selber unter Druck zu setzen, endlich was » Vernünftiges « zu machen. Ich weiß bloß beim besten Willen nicht, was » vernünftig « sein soll. Das habe ich noch nie begriffen. Was sollte in dieser Welt und unter diesen Bedingungen » vernünftig « sein? Da ich die Idee von Sinn nicht verstehe, kann ich auch keinen produzieren. Verstehst Du mich? Du fragst mich, was das mit dem Buch und der Aufmachung sollte? Auch das weiß ich nicht genau, nur: Ich hab’s für Dich gemacht. Klingt jetzt ’n bisschen dramatisch, aber es stimmt. Ich würde Dich gerne wiedersehen.
     
    Alles Liebe – Michael

Ein bisschen Krieg
     
    E in warmer Sonntagmorgen. Ich wandere durch die Innenstadt, ausgerüstet mit einem Apfel mir unbekannter Herkunft. An den Landungsbrücken lasse ich mich auf einem Poller nieder und schaue auf den Hafen. Das graubraune Elbwasser glitzert in den Strahlen der Sonne. Viele Schiffe befahren den Fluss. Ich drehe den Apfel an seinem Stiel hängend nach links und nach rechts und warte, dass der Stiel reißt. Zu Tausenden strömen die Menschen Richtung Elbe. Ein faszinierendes Großereignis lässt die Herzen der angereisten Bewohner des Umlandes höher schlagen. Hafengeburtstag. Der achthundertzwanzigste Hafengeburtstag. Oder so. Auch wenn das eigentlich gar nicht so genau stimmt. Auch wenn der Hafengeburtstag erst seit 1977 gefeiert wird und somit eine typische Erfindung des Konsumzeitalters ist. Ein willkommener An-lass, sich drei Tage lang an Fressständen und Saufbuden den Wanst vollzuschlagen und dabei billige Unterhaltung zu genießen. Der Stiel des Apfels reißt, ich fange ihn mit der rechten Hand auf. Über eine Million Menschen werden dieses Jahr erwartet. Sie kommen für nichts Konkretes, der Anlass genügt, sich mal wieder blicken zu lassen. Ich stehe auf und gehe an einem weißen Golf vorüber, in den eine schwarze Perserkatze eingesperrt ist. Sie starrt mich panisch an. Eine dicke Frau kommt auf mich zu, in ihrem Schatten wankt ein großer, dünner Mann, er trägt Einkaufstüten.
    »Da, das kenn ich, das haben wir auch schon mal erlebt.«
    Ich schaue sie ratlos an. Redet sie mit mir? Was will sie von mir? Hält sie mich für den Besitzer des Autos?
    »Hallo, Sie. Das haben wir auch schon mal erlebt.«
    »Was denn?«
    »Dass jemand seine Katze ins Auto eingesperrt hat. Wolfgang ist dann hin zu dem Auto. Wolfgang, weißt du das noch?«
    »Ja …«
    Wolfgang möchte etwas sagen, aber sie fährt ihm schon über den Mund. Wie er da hinter ihr steht und von ihrem vierschrötigen Körper fast ganz verdeckt wird, sieht es

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