Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
gleichzeitig versuchten anzu-
greifen und einander abzuwehren. Plötzlich gewann Damon die Oberhand,
schob nach und nach Stefanos Arme beiseite und beugte sich mit
blitzenden, weißen Zähnen über seine Kehle.
»Damon! Nein!«, schrie Elena. Sie reckte sich, um seinen Arm zu pack-
en und ihn von Stefano wegzuziehen. Ohne sie auch nur eines Blickes zu
würdigen, stieß Damon sie beiläufig und grausam zur Seite, sodass Elena
durch die Luft flog.
Sie landete hart auf dem Rücken und schlitterte über den Boden. Bei
dem Aufprall schlugen ihre Zähne aufeinander, ihr Kopf knallte gegen den
Beton, und weiße Blitze puren Schmerzes loderten hinter ihren Augen auf.
Es tat so weh, aber sie begann, sich sofort wieder aufzurappeln. Und dann
beobachtete sie voller Entsetzen, dass Damon Stefanos Widerstand
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endgültig gebrochen hatte und die Reißzähne in den Hals seines jüngeren
Bruders bohrte.
»Nein!«, schrie sie abermals. »Damon, nein!«
»Elena, sei vorsichtig«, rief Alaric. »Du bist im Diagramm. Bitte, was
immer du tust, zerstöre keine weiteren Linien!«
Elena sah sich um. Bei ihrer Landung war sie durch mehrere
Kreidestriche geschlittert, die jetzt rund um sie herum verschmiert waren.
Sie versteifte sich voller Angst und unterdrückte ein Wimmern. War das
Phantom jetzt entfesselt? Hatte sie es freigelassen?
Sie wappnete sich und drehte sich zu dem innersten Kreis um.
Das Phantom tastete mit seinen langen Armen den Boden um sich her-
um ab, als fühlte es eine unsichtbare Wand, die es im Inneren des Kreises
festhielt. Dann wurde der Mund des Phantoms schmal vor Anstrengung;
es hob beide Hände an eine Stelle und drückte.
Die Luft im Raum kräuselte sich.
Aber das Phantom schaffte es nicht, den Kreis zu durchbrechen, und
einen Moment später hörte es auf zu drücken und zischte enttäuscht.
Dann fiel sein Blick auf Elena, und es lächelte wieder.
»Oh, Elena«, sagte die Eifersucht, und ihre Stimme war ganz sanft von
falschem Mitgefühl. »Das hübsche Mädchen, das Mädchen, das alle
wollen, das, um das sich alle Jungs streiten. Es ist so hart, du zu sein, nicht
wahr?« Die Stimme verzerrte sich zu bitterem Spott. »Aber sie denken
nicht wirklich an dich, nicht wahr? Für die beiden, die du willst, bist du
nicht das auserwählte Mädchen. Du weißt, warum sie sich zu dir hingezo-
gen fühlen. Catarina. Immer nur Catarina. Sie wollen dich, weil du aus-
siehst wie sie, aber du bist nicht sie. Das Mädchen, das sie vor so langer
Zeit geliebt haben, war sanft und süß. Eine Unschuldige, ein Opfer, eine
Folie für ihre Fantasien. Du bist ganz anders als sie. Sie werden es
herausfinden, weißt du. Sobald deine sterbliche Gestalt sich verändert –
und das wird sie tun. Sie werden für immer so bleiben, wie sie jetzt sind,
aber du wirst dich verändern und mit jedem Tag älter werden; in einigen
Jahren wirst du viel älter aussehen als Stefano und Damon – und dann
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werden sie begreifen, dass du gar nicht diejenige bist, die sie lieben. Du
bist nicht Catarina, und du wirst es niemals sein.«
Elenas Augen brannten. »Catarina war ein Ungeheuer«, zischte sie mit
zusammengebissenen Zähnen.
»Sie ist zu einem Ungeheuer geworden. Doch zuerst war sie ein süßes
junges Mädchen«, korrigierte das Eifersuchtsphantom sie. »Stefano und
Damon haben sie zerstört. So wie sie dich zerstören werden. Du wirst
niemals ein normales Leben führen. Du bist nicht wie Meredith oder Bon-
nie oder Sabrina. Sie haben immer noch eine Chance auf Normalität, ob-
wohl du sie in deine Kämpfe hineingezogen hast. Aber du, du wirst
niemals normal sein. Und du weißt, wer daran schuld ist, nicht wahr?«
Ohne nachzudenken, sah Elena Damon und Stefano an, gerade als es
Stefano gelang, seinen Bruder wegzustoßen. Damon taumelte rückwärts,
auf die Gruppe von Menschen zu, die sich an der Wand der Garage zusam-
menkauerten. Blut rann aus seinem Mund. Und Blut strömte aus einer
schrecklichen Wunde an Stefanos Hals hinunter.
»Sie haben dich dem Untergang geweiht, ebenso wie sie diejenige dem
Untergang geweiht haben, die sie wirklich liebten«, bemerkte das
Phantom sanft.
Elena rappelte sich hoch. Ihr Herz hämmerte heftig vor Elend und Zorn.
»Elena, hör auf!«, rief eine mächtige Altstimme, erfüllt von einer sol-
chen Autorität, dass Elena sich von Damon und Stefano abwandte. Sie
blinzelte, als sei sie gerade aus einem Traum erwacht, und sah zu den an-
deren
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