Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
ich
kenne, um dich herum gewoben. Ich hoffe, der Tee schmeckt dir. Es ist
meine eigene Spezialmischung.«
»Vielen Dank, Mrs Flowers«, erwiderte Bonnie. »Gute Nacht.«
»Du genießt das alles viel zu sehr«, bemerkte Meredith, die als Nächste
mit einem Teller Plätzchen in der Hand hereinkam. Sie humpelte, hatte
aber darauf bestanden, dass sie keinen Gehstock und keine Krücke
benötigte, solange ihr Knöchel bandagiert war.
Tatsächlich … Bonnie sah sich Meredith genauer an. Ihre Wangen waren
gerötet, und ihr für gewöhnlich so glattes Haar war ein wenig zerzaust. Ich
denke, sie ist sehr froh, dass Sabrina weg ist, überlegte Bonnie und
grinste.
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»Ich versuche nur, mich aufzuheitern«, erklärte sie dann mit einem
schelmischen Lächeln. »Du kennst doch das Sprichwort: Wenn das Leben
dir Zitronen gibt, mach Limonade draus. Meine Limonade ist Matt, der
versucht, all meine Wünsche zu erfüllen. Es ist einfach Pech, dass wir nicht
mehr Jungs hierhaben.«
»Vergiss Alaric nicht«, sagte Meredith. »Er hat mir geholfen, die
Plätzchen zu backen. Und er ist unten und stellt Nachforschungen über
alles an, was mit dieser Sache zusammenhängen könnte.«
»Ah, alle bedienen mich, das gefällt mir«, witzelte Bonnie. »Habe ich dir
eigentlich schon gesagt, wie sehr ich das Abendessen genossen habe, das
du zubereitet hast? All meine Lieblingsgerichte. Es war wie mein Ge-
burtstag … oder mein letztes Mahl«, fügte sie ernster hinzu.
Meredith runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher, dass ich nicht in deinem
Zimmer bleiben soll? Ich weiß, wir haben das Haus so gut wie möglich
geschützt, aber wir wissen eigentlich gar nicht, wogegen wir kämpfen. Und
nur weil die beiden letzten Angriffe bei Tageslicht stattgefunden haben
und die ganze Gruppe dabei war, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es
immer so sein muss. Was ist, wenn dieses geheimnisvolle Etwas die
Schutzzauber überwinden kann?«
»Mir wird schon nichts passieren«, versicherte Bonnie ihr. Sie wusste
zwar, dass sie in Gefahr schwebte, aber seltsamerweise hatte sie keine
Angst. Sie befand sich in einem Haus voller Leute, denen sie vertraute und
die alle von ganzem Herzen um ihre Sicherheit besorgt waren. Außerdem
hatte sie bereits einen Plan für die Nacht – etwas, das sie nicht tun konnte,
wenn Meredith in ihrem Zimmer schlief.
»Bist du dir wirklich sicher?«, meinte Meredith voller Sorge.
»Ja«, antwortete Bonnie nachdrücklich. »Wenn mir heute Nacht etwas
Schlimmes zustoßen würde, müsste ich es doch im Vorhinein wissen,
oder? Schließlich bin ich eine Hellseherin und werde sonst ja auch vor al-
len möglichen Dingen gewarnt.«
»Hmmm«, machte Meredith und zog eine Augenbraue hoch. Einen Mo-
ment lang sah es so aus, als wolle sie Einwände erheben. Aber Bonnie sah
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sie weiterhin fest an. Schließlich stellte Meredith das Tablett mit den
Plätzchen auf den Tisch neben dem Bett, auf dem bereits die Teekanne
und die Tasse standen, die Matt heraufgebracht hatte. Dann zog sie die
Vorhänge zu und schaute sich ängstlich um, ob sonst noch etwas getan
werden konnte.
»Also schön«, sagte sie schließlich. »Ich bin gleich nebenan, wenn du
mich brauchst.«
»Danke, Merry. Gute Nacht.« Sobald die Tür eingerastet war, setzte
Bonnie sich im Bett auf, angelte sich eines der Plätzchen und biss hinein.
Köstlich.
Ein träges Lächeln erblühte auf ihren Lippen. Jetzt stand sie im Zen-
trum der Aufmerksamkeit, wie eine viktorianische Heldin, die tapfer an ir-
gendeiner Art von Schwindsucht litt. Die anderen hatten sie ermutigt, sich
ihr Lieblingszimmer in der Pension auszusuchen, und sie hatte sich für
dieses entschieden. Es war ein entzückender Raum mit einer cremefarben-
en Rosenmustertapete und einem altmodischen Bett aus Ahornholz.
Matt war ihr den ganzen Abend nicht von der Seite gewichen. Mrs
Flowers hatte großes Theater um sie gemacht, Kissen aufgeschüttelt und
ihr Kräutertränke angeboten, und Alaric hatte gewissenhaft in allen
Zauberbüchern, die er finden konnte, Schutzzauber recherchiert. Selbst
Sabrina, die für ihre »Visionen« bis jetzt immer nur schnippische Kom-
mentare übrig gehabt hatte, hatte ihr vor ihrem Aufbruch versprochen, so-
fort Bescheid zu geben, wenn sie etwas Nützliches herausfand.
Bonnie atmete den süßen Duft von Mrs Flowers’ Tee ein. Hier in diesem
behaglichen Raum war es unmöglich, das Gefühl zu haben, in Gefahr zu
sein und
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