Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
mit
einer dicken Staubschicht bedeckt, und der längliche Raum war mit allen
möglichen Dingen vollgestopft: eine Hängematte, ein Schlitten, Skier, Kar-
tons mit Aufschriften wie Weihnachten oder Babyspielzeug oder Winter-
kleidung, die mit schwarzem Textmarker auf die Pappe gekritzelt waren.
Einige größere Dinge, der Form nach zu urteilen Möbel, Tische und
Stühle, waren mit Wachstüchern abgedeckt.
Am anderen Ende des Raums lag eine alte Matratze auf dem Boden, mit
einem zerknitterten Wachstuch darauf, als hätte jemand dort geschlafen,
das Tuch als provisorische Decke benutzt und es weggestoßen, als er
aufgestanden war.
Durch die Ritzen eines kleinen, mit Läden verschlossenen Fensters
drang schwaches, bleiches Licht. Elena hörte ein leises Rascheln, wie von
Mäusen, die im Schutz der eingelagerten Möbel ihren Angelegenheiten
nachgingen.
Das alles war ihr auf unheimliche Weise vertraut.
Sie schaute wieder zum anderen Ende des Dachbodens und sah ohne
den leisesten Anflug von Überraschung, dass Damon jetzt auf der alten
Matratze saß, die langen, in schwarzen Jeans steckenden Beine an sich
gezogen, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Trotz dieser geradezu kind-
lichen Haltung wirkte er lässig und elegant.
»Unsere Treffpunkte werden immer bescheidener«, bemerkte sie
trocken.
Damon lachte und hob zum Protest die Hände. »Du wählst die
Schauplätze aus, Prinzessin«, erwiderte er. »Dies ist deine Show. Ich bin
nur dein Gast.« Er hielt nachdenklich inne. »Okay, das ist nicht ganz
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wahr«, gestand er. »Aber du suchst die Schauplätze wirklich aus. Wo sind
wir überhaupt?«
»Das weißt du nicht?«, fragte Elena mit gespielter Entrüstung. »Dies ist
ein ganz besonderer Ort für uns, Damon! Voller Erinnerungen! Du hast
mich hierher gebracht, gleich nachdem ich ein Vampir geworden war,
erinnerst du dich?«
Er sah sich um. »Oh, ja. Der Speicher des Hauses, in dem dieser Lehrer
gewohnt hat. Damals war es ganz bequem, aber du hast recht – es dürfte
jetzt ruhig etwas Besseres sein. Darf ich für das nächste Mal einen hüb-
schen Palast vorschlagen?« Er klopfte neben sich auf die Matratze.
Elena ging zu ihm hinüber und nahm sich dabei einen Moment Zeit, um
darüber zu staunen, wie realistisch und detailliert ihr Traum war. Bei je-
dem ihrer Schritte stoben winzige Staubwölkchen vom Boden auf. Es lag
sogar ein schwacher Geruch von Moder in der Luft: Sie konnte sich nicht
daran erinnern, jemals zuvor in einem Traum etwas gerochen zu haben.
Als sie sich setzte, wurde der Modergeruch stärker. Trotzdem schmiegte
sie sich dicht an Damon und bettete den Kopf an seine Schulter. Seine
Lederjacke knarzte, als er einen Arm um sie legte. Elena schloss die Augen
und seufzte. Sie fühlte sich sicher und geborgen in seiner Umarmung –
Gefühle, die sie eigentlich nie mit Damon in Verbindung gebracht hatte,
aber es waren gute Gefühle. »Ich vermisse dich, Damon«, sagte sie. »Bitte,
komm zu mir zurück.«
Damon legte die Wange auf ihren Kopf, und Elena atmete seinen Duft
ein. Leder und Seife und jener seltsame, aber angenehm an einen Wald
erinnernde Duft, der Damon ebenso wie Stefano anhaftete. »Ich bin doch
hier«, erwiderte er.
»Nicht wirklich«, widersprach Elena, und ihre Augen füllten sich mit
Tränen. Sie wischte sie sich mit dem Handrücken grob vom Gesicht. »Es
fühlt sich so an, als hätte ich in letzter Zeit nichts anderes getan, als ge-
weint«, bemerkte sie. »Doch wenn ich hier bei dir bin, fühle ich mich
sicherer. Aber es ist nur ein Traum. Es wird nicht von Dauer sein, dieses
Gefühl.«
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Damon versteifte sich. »Sicherer?«, wiederholte er, und in seiner
Stimme lag ein angespannter Unterton. »Du fühlst dich nicht sicher, wenn
du nicht mit mir zusammen bist? Kümmert sich mein kleiner Bruder nicht
richtig um dich?«
»Oh, Damon, du kannst es dir nicht vorstellen«, antwortete Elena. »Ste-
fano …« Sie holte tief Luft, stützte den Kopf in die Hände und begann zu
schluchzen.
»Was ist los? Was ist passiert?«, fragte Damon scharf. Als Elena nicht
antwortete, sondern einfach weiterschluchzte, griff er nach ihren Händen
und zog sie sanft, aber entschlossen von ihrem Gesicht weg. »Elena«, sagte
er. »Sieh mich an. Ist Stefano etwas zugestoßen?«
»Nein«, erwiderte Elena unter Tränen. »Nun, ja, irgendwie doch … ich
weiß nicht wirklich, was ihm zugestoßen ist, aber er hat sich verändert.«
Damon
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