Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
schaute sie eindringlich an, und sein nachtschwarzer Blick bohrte
sich in ihre Augen. Elena versuchte, sich zusammenzureißen. Sie hasste es,
sich so zu benehmen, sich so schwach und jämmerlich an einer Schulter
auszuweinen, statt kühl und rational eine Lösung für das gegenwärtige
Problem zu suchen. Sie wollte nicht, dass Damon, selbst dieser Traum-Da-
mon, der lediglich ein Teil ihres Unterbewusstseins war, sie so sah. Sie
schniefte und wischte sich erneut mit dem Handrücken über die Augen.
Damon stöberte in einer Innentasche seiner Lederjacke und reichte ihr
ein säuberlich gefaltetes weißes Taschentuch. Elena starrte zuerst das
Taschentuch an, dann ihn, und er zuckte die Achseln. »Manchmal bin ich
eben ein altmodischer Gentleman«, erklärte er mit ungerührter Miene.
»Jahrhunderte voller Leinentaschentücher. Manche Gewohnheiten lassen
sich nur schwer abschütteln.«
Elena putzte sich die Nase und wischte sich die Wangen ab. Sie wusste
nicht recht, was sie mit dem durchweichten Taschentuch machen sollte –
es erschien ihr ziemlich ekelhaft, es Damon zurückzugeben –, also hielt sie
es einfach fest und drehte es zwischen den Händen, während sie
nachdachte.
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»Jetzt erzähl mir, was los ist. Was stimmt nicht mit Stefano? Was ist
ihm zugestoßen?«, verlangte Damon zu erfahren.
»Nun …«, begann Elena langsam, »ich weiß nicht, was mit Stefano los
ist, und ich weiß nicht, ob irgendetwas passiert ist, das ihn verändert hat,
von dem du nicht bereits wüsstest. Vielleicht reagiert er einfach auf deinen
… du weißt schon.« Es kam ihr plötzlich unheimlich vor, von Damons Tod
zu reden, obwohl er neben ihr saß, aber Damon bedeutete ihr mit einem
Nicken weiterzusprechen. »Es war hart für ihn. Und während der beiden
letzten Tage war er sogar noch angespannter und merkwürdiger. Und
dann habe ich heute meine Eltern auf dem Friedhof besucht …« Sie
erzählte Damon von Stefanos Angriff auf Caleb. »Das Schlimmste ist, dass
ich niemals gedacht hätte, dass Stefano eine solche Seite überhaupt hat«,
beendete sie ihren Bericht. »Mir fällt kein echter Grund ein, warum er
Caleb angreifen musste – er hat lediglich behauptet, dass Caleb mich wolle
und dass er gefährlich sei, aber Caleb hatte gar nichts getan –, und Stefano
wirkte einfach so irrational und so gewalttätig. Er war wie eine andere
Person.«
Elenas Augen füllten sich erneut mit Tränen, und Damon zog sie enger
an sich, strich ihr übers Haar und bedeckte ihr Gesicht mit sanften
Küssen. Elena schloss die Augen und entspannte sich langsam in seinen
Armen. Damon hielt sie fester umfangen, und seine Küsse wurden
leidenschaftlicher. Dann drehte er mit seinen starken, behutsamen
Händen ihren Kopf zu sich und küsste sie auf den Mund.
»Oh, Damon«, murmelte sie. Dies fühlte sich echter an als jeder Traum,
den sie je gehabt hatte. Seine Lippen waren weich und warm und gerade
nur so grob, dass sie das Gefühl hatte, als falle sie in ihn hinein. »Warte.«
Er küsste sie eindringlicher, aber als sie sich zurückzog, ließ er sie los.
»Warte«, wiederholte Elena und richtete sich auf. Sie hatte sich zurück-
fallen lassen, sodass sie halb neben Damon auf der modrigen, alten Mat-
ratze lag, ihre Beine um seine geschlungen. Jetzt rückte sie von ihm ab, auf
den Rand der Matratze zu. »Damon, was immer mit Stefano los ist, es
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macht mir Angst. Aber das bedeutet nicht … Damon, ich liebe Stefano im-
mer noch.«
»Aber mich liebst du auch«, erwiderte Damon lässig. Seine dunklen Au-
gen wurden schmal. »So leicht wirst du mich nicht los, Prinzessin.«
»Ich liebe dich wirklich«, sagte Elena. Ihre Augen waren jetzt trocken.
Vielleicht hatte sie sich ausgeweint, zumindest für den Moment. Ihre
Stimme war ziemlich ruhig, als sie hinzufügte: »Ich schätze, ich werde dich
immer lieben. Aber du bist tot.« Und Stefano ist meine wahre Liebe, wenn
ich zwischen euch wählen müsste, dachte sie, sprach den Gedanken jedoch
nicht aus. »Es tut mir leid, Damon«, fuhr sie fort, »aber du bist nicht mehr
da. Und ich werde auch Stefano immer lieben, auch wenn ich plötzlich
Angst vor ihm habe. Angst vor dem, was er vielleicht tun wird. Ich weiß
nicht, was mit uns geschieht. Ich dachte, jetzt, da wir wieder zu Hause
sind, würde alles einfacher werden, aber es geschehen wieder schreckliche
Dinge.«
Damon seufzte und legte sich auf die Matratze. Er schaute einen Mo-
ment
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