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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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obwohl das Wetter schlecht ist. Die Armee und auch das Volk sind »one will and one hope«.

Freitag, 9. Juni 1944
    Liebe Kitty!
    Mit der Invasion geht es oberprima! Die Alliierten haben Bayeux eingenommen, ein kleines Dorf an der französischen Küste, und kämpfen jetzt um Caën. Es ist klar, dass sie beabsichtigen, die Halbinsel abzuschneiden, auf der Cherbourg liegt. Jeden Abend erzählen Kriegsberichterstatter von den Schwierigkeiten, dem Mut und der Begeisterung der Armee. Die unglaublichsten Dinge passieren. Auch Verwundete, die schon wieder in England sind, waren am Mikrophon. Trotz des miserablen Wetters wird fleißig geflogen. Vom BBC haben wir gehört, dass Churchill die Invasion zusammen mit den Truppen beginnen wollte, nur auf Anraten von Eisenhower und anderen Generälen ist aus dem Plan nichts geworden. Stell dir mal vor, was für ein Mut von so einem alten Mann! Er ist doch sicher schon 70 Jahre alt.
    Hier hat sich die Aufregung etwas gelegt. Trotzdem hoffen wir, dass der Krieg Ende des Jahres endlich vorbei sein wird. Es wird auch Zeit. Frau van Daans Gejammer ist kaum mehr zum Anhören. Nachdem sie uns jetzt nicht mehr mit der Invasion verrückt machen kann, nörgelt sie den ganzen Tag über das schlechte Wetter. Ich hätte Lust, sie in einem Eimer kaltes Wasser auf den Dachboden zu stellen!
    Das ganze Hinterhaus, mit Ausnahme von van Daan und Peter, hat die Trilogie »Ungarische Rhapsodie« gelesen. Dieses Buch behandelt die Lebensgeschichte des Komponisten, Klaviervirtuosen und Wunderkindes Franz Liszt. Das Buch ist sehr interessant, aber meiner Ansicht nach wird ein bisschen zu viel über Frauen gesprochen. Liszt war zu seiner Zeit nicht nur der größte und bekannteste Pianist, sondern bis zu seinem 70. Lebensjahr auch der größte Schürzenjäger. Er hatte ein Verhältnis mit Marie d’Agoult, Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein, der Tänzerin Lola Montez, der Pianistin Sophie Monter, mit der Tscherkessenfürstin Olga Janina, der Baronesse Olga Meyendorff, der Schauspielerin Lilla ich-weiß-nicht-wie-sie-heißt usw. usw. Es nimmt überhaupt kein Ende. Die Teile des Buches, wo es um Musik und andere Künste geht, sind viel interessanter. In dem Buch kommen vor: Schumann und Clara Wieck, Hector Berlioz, Johannes Brahms, Beethoven, Joachim, Richard Wagner, Hans von Bülow, Anton Rubinstein, Frederic Chopin, Victor Hugo, Honoré de Balzac, Hiller, Hummel, Czerny, Rossini, Cherubini, Paganini, Mendelssohn und viele andere.
    Liszt war an sich ein toller Kerl, sehr großzügig, bescheiden für sich, obwohl übermäßig eitel, half jedem, kannte nichts Höheres als die Kunst, war versessen auf Kognak und auf Frauen, konnte keine Tränen sehen, war ein Gentleman, konnte niemandem einen Gefallen abschlagen, gab nichts auf Geld, hielt viel von der Religionsfreiheit und von der Welt.
    Deine Anne M. Frank

Dienstag, 13. Juni 1944
    Liebe Kitty!
    Der Geburtstag ist wieder vorbei, jetzt bin ich also 15. Ich habe ziemlich viel bekommen: Die fünf Bände Springers Kunstgeschichte, eine Garnitur Unterwäsche, zwei Gürtel, ein Taschentuch, zwei Joghurts, ein Glas Marmelade, 2 Honigkuchen (klein), ein Pflanzenkundebuch von Vater und Mutter, ein Doubléarmband von Margot, ein Buch von den van Daans, Biomalz und Gartenwicken Dussel, Süßigkeiten Miep, Süßigkeiten und Hefte Bep, und als Höhepunkt das Buch »Maria Theresia« und drei Scheiben vollfetten Käse von Kugler. Von Peter einen schönen Strauß Pfingstrosen. Der arme Junge hat sich so viel Mühe gegeben, etwas zu finden, aber nichts hat geklappt.
    Mit der Invasion geht es immer noch hervorragend, trotz des miserablen Wetters, der zahllosen Stürme, der Regengüsse und der stürmischen See.
    Churchill, Smuts, Eisenhower und Arnold waren gestern in den französischen Dörfern, die von den Engländern erobert und befreit worden sind. Churchill war auf einem Torpedoboot, das die Küste beschoss. Der Mann scheint, wie so viele Männer, keine Angst zu kennen. Beneidenswert!
    Die Stimmung in den Niederlanden ist von unserer Hinterburg aus nicht einzuschätzen. Zweifellos sind die Menschen froh, dass das nichtstuende (!) England nun endlich auch mal die Ärmel hochkrempelt. Wie ungerecht sie argumentieren, erkennen die Leute nicht, wenn sie immer wieder sagen, dass sie hier keine englische Besatzung haben wollen. Alles in allem läuft das darauf hinaus: England muss kämpfen, streiten und seine Söhne für die Niederlande und andere besetzte Gebiete

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