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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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Erscheinung verschwand aber genauso schnell, wie sie gekommen war. Heute läuft er mit einem dicken Schal um den Hals herum, weil der steif ist. Ferner klagt der Herr über Hexenschuss. Schmerzen zwischen Herz, Niere und Lunge sind ihm auch nicht fremd. Er ist ein echter Hypochonder! (So heißt das doch, oder?)
    Mutter und Frau van Daan vertragen sich nicht sehr gut. Anlässe für Unannehmlichkeiten gibt’s genug. Als kleines Beispiel will ich dir erzählen, dass Frau van Daan jetzt aus dem gemeinsamen Wäscheschrank ihre Laken bis auf drei herausgeholt hat. Sie nimmt natürlich an, dass Mutters Wäsche für die ganze Familie verwendet werden kann. Sie wird schwer enttäuscht sein, wenn sie merkt, dass Mutter ihrem guten Beispiel gefolgt ist.
    Außerdem hat sie eine Stinkwut, dass nicht unser Tischgeschirr im Gebrauch ist, sondern das ihre. Immer versucht sie herauszubekommen, wo wir unsere Teller hingetan haben. Sie sind näher als sie denkt, sie stehen in Kartons auf dem Dachboden hinter einem ganzen Haufen Reklamematerial von Opekta. Solange wir uns verstecken, sind die Teller unerreichbar, und das ist auch gut so! Mir passieren dauernd Missgeschicke. Gestern habe ich einen Suppenteller von Frau van Daans Geschirr kaputtgeschmissen.
    »Oh«, rief sie wütend, »sei doch ein bisschen vorsichtiger! Das ist das Einzige, was ich noch habe.«
    (Bitte berücksichtige, Kitty, dass die beiden Damen hier ein fürchterliches Niederländisch sprechen. Über die Herren wage ich nichts zu sagen, sie wären sehr beleidigt. Wenn du diese Haspelei hören könntest, würdest du laut lachen. Wir beachten es gar nicht mehr, verbessern nützt doch nichts. Ich werde aber, wenn ich über Mutter oder Frau van Daan schreibe, nicht ihre Originalsprache wiedergeben, sondern ordentliches Niederländisch.)
    Letzte Woche hatten wir eine kleine Unterbrechung in unserem so eintönigen Leben, und das lag an einem Buch über Frauen und an Peter. Du musst nämlich wissen, dass Margot und Peter fast alle Bücher lesen dürfen, die Herr Kleiman für uns leiht. Aber dieses besondere Buch über ein Frauenthema wollten die Erwachsenen lieber nicht aus den Händen geben. Das stachelte Peters Neugier an. Was für verbotene Dinge würden wohl in dem Buch stehen? Heimlich nahm er es seiner Mutter weg, als sie unten am Reden war, und lief mit seiner Beute zum Oberboden. Zwei Tage ging das gut. Frau van Daan wusste längst, was er tat, verriet aber nichts, bis Herr van Daan dahinter kam. Er wurde böse, nahm Peter das Buch weg und dachte, dass die Sache damit erledigt wäre. Er hatte aber nicht mit der Neugier seines Sohnes gerechnet, der durch das energische Auftreten seines Vaters keineswegs aus der Fassung gebracht war. Er sann auf Möglichkeiten, dieses mehr als interessante Buch doch zu Ende zu lesen.
    Frau van Daan hatte inzwischen Mutter gefragt, was sie von dieser Sache halte. Mutter fand das Buch nicht gut für Margot, aber in den meisten anderen sah sie nichts Schlimmes.
    »Zwischen Margot und Peter ist ein großer Unterschied«, sagte Mutter. »Erstens ist Margot ein Mädchen, und Mädchen sind immer reifer als Jungen, zweitens hat Margot schon mehr ernste Bücher gelesen und sucht nicht nach Dingen, die für sie nicht mehr verboten sind, und drittens ist sie viel weiter entwickelt und verständiger, was auch ihre vier Jahre Oberschule mit sich bringen.«
    Frau van Daan stimmte dem zu, fand es aber doch prinzipiell falsch, Jugendliche Erwachsenenbücher lesen zu lassen.
    Inzwischen hatte Peter den richtigen Zeitpunkt gefunden, an dem niemand auf das Buch oder auf ihn achtete. Abends um halb acht, als die ganze Familie unten im Privatbüro Radio hörte, nahm er seinen Schatz mit hinauf zum Oberboden. Um halb neun hätte er wieder unten sein müssen, aber weil das Buch so spannend war, vergaß er die Zeit und kam gerade die Dachbodentreppe herunter, als sein Vater ins Zimmer kam. Was folgte, ist klar. Ein Klaps, ein Schlag, ein Ruck, das Buch lag auf dem Tisch, und Peter war auf dem Oberboden.
    So standen die Dinge, als die Familie zum Essen kam. Peter blieb oben, niemand kümmerte sich um ihn, er sollte ohne Essen ins Bett. Wir setzten unsere Mahlzeit fort und plauderten fröhlich, als auf einmal ein durchdringendes Pfeifen zu uns drang. Wir legten die Gabeln hin und schauten uns mit bleichen und erschrockenen Gesichtern an. Dann hörten wir Peters Stimme, die durch das Ofenrohr rief: »Ich komme doch nicht hinunter!«
    Herr van Daan sprang auf,

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