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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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mit ihr zu leben. Warum nicht die heutige Nacht dazu verwenden, schon erscheinen mir die Redner des heutigen Elternabends, die vom Leben und von der Schaffung seiner Bedingungen redeten, – aber ich halte mich an Vorstellungen, ich lebe ganz verwickelt ins Leben, ich werde es nicht tun, ich bin ganz kalt, bin traurig, daß ein Hemd um den Hals mich drückt, bin verdammt, schnappe im Nebel.
    15 II 14
    Wie lang mir dieser Samstag und Sonntag im Rückblick scheint. Ich habe mir gestern nachmittag die Haare scheren lassen, dann den Brief an Bl. geschrieben, bin dann einen Augenblick lang bei Max gewesen in der neuen Wohnung, dann Elternabend neben L. W., dann Baum (in der Elektrischen Krätzig getroffen "Notstich"), dann auf dem Rückweg Maxens Klagen über mein Stummsein, dann die Selbstmordlust, dann die Schwester vom Elternabend zurückgekommen, unfähig das geringste zu berichten. Bis 10 im Bett, schlaflos, Leid und Leid.
    Kein Brief nicht hier, nicht im Bureau, Brief an Bl. auf der Franz Josefs Bahn eingeworfen, Nachmittag Gerke, Spaziergang an der Moldau, Vorlesung in seiner Wohnung, merkwürdige Mutter beim Butterbrotessen und Patiencelegen, allein 2
    Stunden herumgegangen, entschlossen Freitag nach Berlin zu fahren, Khol getroffen, zuhause mit Schwagern und Schwestern, dann bei Weltsch Besprechung der Verlobung
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    (Kerzenauslöschen des Joine Kisch) dann zuhause Versuche aus der Mutter durch Schweigen Mitleid und Hilfe herauszulocken, jetzt Schwester, erzählt vom Clubabend, es schlägt ¾ 12.
    Ich sagte bei Weltsch, um die aufgeregte Mutter zu trösten:
    "Ich verliere ja Felix durch diese Heirat auch. Ein verheirateter Freund ist keiner." F. sagte nichts, konnte natürlich auch nichts sagen, aber er wollte es nicht einmal.
    Das Heft fängt mit Felice an, die mir am 2. V 13 den Kopf unsicher machte, ich kann mit diesem Anfang das Heft auch schließen, wenn ich statt unsicher ein schlimmeres Wort nehme.

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    Heft 9
    Ich trete aus dem Haus um einen kleinen Spaziergang zu machen. Es ist schönes Wetter aber die Gasse ist auffallend leer, nur in der Ferne steht ein städtischer Bediensteter mit dem Wasserschlauch in der Hand und spritzt einen ungeheueren Bogen Wassers die Gasse entlang. "Unerhört" sage ich und prüfe die Spannung des Bogens. "Ein kleiner städtischer Bediensteter" sage ich und blicke wieder auf den Mann in der Ferne. An der Ecke der nächsten Quergasse fechten zwei Herren, stoßen zusammen, fliegen eine weite Strecke auseinander, belauern einander und sind schon wieder beisammen. "Hört doch zu fechten auf, Ihr Herren" sage ich.
    Der Student Kosel saß an seinem Tisch und studierte. Er war so in seine Arbeit vertieft, daß er das Dunkelwerden gar nicht merkte, das in diesem schlecht gelegenen Hofzimmer trotz des hellen Maitages schon gegen vier Uhr nachmittag begann. Die Lippen aufgestülpt, die Augen ohne es zu wissen tief zum Buch geneigt, las er. Manchmal unterbrach er sich, schrieb in ein Heftchen kurze Auszüge des Gelesenen ein und murmelte dann mit geschlossenen Augen das Geschriebene auswendig vor sich hin. Gegenüber seinem Fenster, nicht fünf Meter weit war eine Küche, in der ein Mädchen Wäsche bügelte und manchmal zu Kosel hinübersah.
    Plötzlich legte Kosel den Bleistift hin und horchte zur Decke hinauf. Irgendjemand gieng, offenbar bloßfüßig, in dem Zimmer oben herum und machte Runde um Runde. Bei jedem Schritt patschte es laut auf, wie wenn man ins Wasser tritt. Kosel schüttelte den Kopf. Diese Spaziergänge oben, die er seit dem Einzug eines neuen Mieters, etwa seit einer Woche erdulden mußte, bedeuteten wenn er sich nicht irgendwie wehrte das Ende nicht nur seines heutigen Studiums, sondern seines Studiums überhaupt. Kein durch geistige Arbeit angestrengter Kopf konnte das ertragen.
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    Es gibt irgendwelche Beziehungen, die ich deutlich fühle, die ich aber zu erkennen nicht imstande bin. Es würde genügen, ein kleines Stück tiefer unterzutauchen, aber gerade hier wird der Auftrieb so stark, daß ich glauben könnte auf dem Grunde des Wassers zu sein, fühlte ich nicht die Strömungen unter mir ziehn. Jedenfalls wende ich mich der Höhe zu, von wo mich der tausendfach gebrochene Schein des Lichtes trifft. Ich steige und treibe mich oben herum, trotzdem ich alles Obere hasse und von ihm
    "Herr Direktor, ein neuer Schauspieler ist gekommen" hörte man deutlich den Diener melden, denn die Tür ins Vorzimmer war vollständig geöffnet. "Ich will

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