Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
Rolls-Royce, haben sie auch. Allein das 7torige Hauptportal in Meknès, wie ein Weltwunder.
Lunch auf der Dach-Terrasse im Zauber-Berg-Dorf Moulay Idris. Aber wieder «Übergabe» vom Fahrer an den nächsten Führer, der mein offenbar unerwartet kleines Trinkgeld angeekelt in der offenen Hand hält wie einen Igel.
Meknès also das nächste Palais Royal. Schöne Moschee, in deren Vorhalle man darf. Rückfahrt durch die unglaublich «ordentlichen» Felder, singende Frauen tanzen auf der Rückfahrt von der Feldarbeit auf dem LKW.
Abends endlich marokkanisches Essen im Fabel-Restaurant. Sympathische französische Tischnachbarn, die uns (keine Ahnung, was ich bestellen soll!) helfen – und mich («Ich kenne Sie doch aus ‹Apostrophe›») erkennen; Situation der geschmeichelten Eitelkeit, wie Thomas Mann auf dem Schiff …
Hôtel Palais Jamai, Fès, den 25. März
Üblicher Morning-Swim. Früh los zur Stadtbesichtigung – ohne Teppich-Medina. Museum – da Freitag; kompliziert, dieser Freitags-Sonntag und Sonntags-Sonntag – zu. 14 Stadt-Tore, eines vorne auberginefarben, hinten (innen) grün. Das andalusische Quartier erinnert von ferne an New Orleans. Keramik-«Fabrik»; die merkwürdig ewige Frage: «Warum wird so schönes, handgefertigtes Kunsthandwerk Kitsch – und bei Picasso in Vallauris Kunst?» Kaufe schöne grünblaue Schale für Sylt.
Vollkommen abenteuerliche Rückfahrt: in Tanger beim Reisebüro einen Zug Fès – Tanger erkundigt; laut Hotelportier Fès gibt es den nicht; laut Bahn-Auskunft Fès gibt es ihn; bei Ankunft am Bahnhof mit dem (überteuerten) Taxi gibt es ihn definitiv nicht: Bus-Abenteuer bis Meknès. Dabei schöne Fahrt durch das Abendlicht, die rosa Schleier der ersten Mandelblüten vor dem oben verschneiten Atlas-Gebirge. Innen krachen die Scheiben, schwebt der Kiffdunst, schreien die Kinder, eine Frau, so dick, daß sie 2 Plätze braucht.
Storchen-Nester!
Ankunft, per Zufall ausgestiegen!! Ankunft Sidi-Slimane. Auskunft: Wo geht wann der Zug nach Tanger? Hier in 15 Minuten. In 20 Minuten kommt der Zug. Ins Coupé: «Ist dies der Zug nach Tanger?» «Nein, nach Casablanca.» In letzter Minute raus. Nächster Zug – zurück nach Fès. 1 Stunde im nächtlichen Nowhere. Schließlich fährt der Zug. 4 Stunden, also so lange wie die gesamte Hinreise.
Im Zug «Die Hamlet-Maschine – japanisch» gestikulierender Finger-Mann, dramatische Mimik. Ich denke: ein den Hamlet repetierender Schauspielschüler. In Wahrheit lernte er den Prospekt einer japanischen Fotokopiermaschine auswendig.
Von Tanger nach Hamburg am 29. März
Leider nicht ganz so glatt, wie sich das liest: Abflug Tanger 1 Stunde verzögert – Anschluß in London weg – weiter nach Düsseldorf – und nun von Düsseldorf nach Hamburg; wer weiß, wann, wo und wie ich zu meinem Gepäck komme.
Das Besondere der Reise war auch das 12tägige Zusammensein mit meiner Schwester, auf deren Ankunft ich mich sehr gefreut und von der der Abschied mir sehr schwergefallen war. Sie ist eine eigentümliche Mischung aus welterfahrener Selbständigkeit (wechselt mühelos vom Englischen ins Französische ins Spanische) und kindhafter Hilflosigkeit. Sie kennt die Welt und hat dennoch einen engen Horizont: nämlich sich selbst. Weiter als die eigene Reichweite – d. h. die eigenen Interessen, Wünsche, Begierden, Ängstlichkeiten – reicht auch ihr Begriff von dieser Welt nicht. Sie ist nicht egoistisch (teilt ganz selbstverständlich die letzte Orange), aber self-centered . So beginnt sie jeden Morgen, ohne «Anlauf-Pause» als erstes zu berichten, wie sie geschlafen, was sie geträumt hat. Eben wie ein Kind: «Püppi hat schlafen …» Einerseits listig à la Courage sich durchschlagend (und auch schon mal beim Schmuck-Kauf ein Armband klauend) – andererseits noch nach 3 Tagen desselben Weges fragend: «Hier gehen wir lang?» Sie hat sich deutlich alles Schwierige ihr Leben lang abnehmen lassen, «wo es langging», wann gegessen würde, wann wohin wie lange gereist: Mit Selbstverständlichkeit hat das immer der jeweilige Mann angeordnet und arrangiert. Weswegen sie, einer Vase gleich, die blau wird, füllt man sie mit blauem Wasser, und grün, füllt man sie mit grünem, auch problemlos Sprachen, Allüren, Sitten angenommen hat: Mit dem Russen war sie ganz russisch, mit Hussain etwas arabisch, etwas amerikanisch – und nun gibt es nur Mexico. Jedem Taxifahrer wird so stolz, als sei es der New Yorker Trump Tower, vorgeplappert, sie
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