Tal der Tausend Nebel
herum.
»Das Königshaus hat sich damit viele Feinde gemacht. Der Palast war zu teuer. Die dafür nötigen Steuern sorgten für Aufruhr unter den Einwanderern, denn viele Haole wollen das hawaiische Königshaus ohnehin nicht anerkennen.«
Auch die Tante wetterte jetzt.
»Vor allem die Amerikaner zeigen sich zunehmend respektlos. Unsere Bemühungen, das Königshaus in Architektur, Protokoll und Bildung den europäischen Königshäusern anzugleichen, ziehen sie immerzu ins Lächerliche.«
Kelii nickte. Auch ihn beschäftigten diese Themen seit seinem letzten Besuch bei seiner Mutter im Palast.
»Ich hatte deshalb Streit mit meiner Mutter. Als oberste geschätzte Hofdame hat sie Kauai endgültig verlassen, um hier in Honolulu auf Wunsch von Lili’uokalani ein Leben im europäischen Stil zu führen. Aber wozu? Alle Welt lacht über uns Kanaka, wenn wir wie die Haole sein wollen …«
Elisa musste ebenfalls lachen, als sie von Nalanis Tante das neuste Foto der Königin gezeigt bekam. Auf ihm war auch Keliis Mutter zu sehen, eine schlanke dunkle Dame mit Perücke.
»Wie gefällt sie dir denn so im Korsett, deine zukünftige Schwiegermutter?«, neckte die Tante.
Kelii zog die Augenbrauen zusammen, aber Elisa konnte sich ihr Lachen nicht verkneifen. Schnell schrieb sie ein paar Worte auf ihren Block.
»Warum macht deine Mutter das? Sie sieht einfach lächerlich aus!«
Kelii antwortete ärgerlich.
»Das sage ich ihr auch! Sie soll zurück nach Kauai kommen. Aber meine Mutter ist loyal und treu. Lili’uokalani zuliebe trägt sie Korsett, enge Schuhe, die ihr Blasen machen, und schminkt sich ihre Haut so hell wie möglich.«
Er grinste Elisa breit an.
»Sie wird dich also lieben, Elisa … Wir müssen nur eins deiner unbequemen Kleider auftreiben, bevor wir in den Palast gehen. Du bist eine Haole … und meine Mutter liebt die Weißen …«
Elisa hörte den bitteren Unterton in seiner Stimme und senkte den Kopf. Sie schämte sich, ohne genau zu wissen, warum. Sie war froh, dass sie den Palast in Honolulu erst zuletzt aufsuchen würden, so hatte Kelii es entschieden. Er hatte ein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter.
Als sie sich verabschiedeten, um zu Hoku zu gehen, nahm Elisa den kleinen Eli noch ein letztes Mal auf ihren Arm. Sie konnte nicht anders. Tief inhalierte sie den süßen Babygeruch, um ihn nie zu vergessen. Was für ein unglaublich hübsches Kind, dachte sie, als sie seine winzigen braunen Händchen streichelte. Seine blitzblanken Mandelaugen schienen sie anzulächeln, so als wollte er ihr etwas Freundliches sagen. Mit seinen knapp sechs Wochen schien er seine Umgebung bereits neugierig zu mustern. Schnell küsste Elisa ihn und gab ihn seiner Mutter zurück. Nalani nickte. Sie verstand die Tränen in Elisas Augen.
»Keine Angst, du wirst Eli wiedersehen, das verspreche ich dir. Und auch wir werden uns wiedersehen … noch bevor der Mond erneut voll sein wird. Wir wurden soeben in den Palast eingeladen!«
Der Aufstieg durch das dichter werdende Grün des Dschungels, das ungefähr eine Meile hinter der Farm begann, war beschwerlich. Elisa blieb ein paar Schritte hinter ihrem Liebsten zurück. Sie wollte alleine sein, um nachzudenken.
Kelii strahlte männliche Zuversicht aus, dachte sie, als er so vor ihr herging. Er war kräftiger geworden, auch männlicher, wie sie fand. Die Arbeit am Haus hatte ihn während der letzten sechs Wochen reifen lassen. Die Muskeln an seinem Rücken glänzten in der Sonne. Seine frisch geölten Haare fielen ihm jetzt bis weit über die Schultern. Das schwere Bündel mit ihren Sachen, das er quer über seinem breiten Kreuz trug, schien er noch nicht einmal zu spüren. Fröhlich pfiff er vor sich hin und bekam sofort Antwort von einem der kleinen roten Singvögel, die hier oben in den Bäumen lebten. Elisa glaubte, den Grund für seine gute Laune zu kennen. Sie lächelte insgeheim über den Einfluss, den ihr eigenes Befinden auf seines hatte. Ihr ging es seit ihrer Ankunft auf Oahu mit jedem Tag besser. Es tat ihr gut, von Kauai fort zu sein. Sie hatte Distanz zu ihren schrecklichen Erinnerungen gewonnen. Ihre Angst vor Keliis Berührungen war so gut wie verschwunden. So wie früher genoss sie seine Nähe. Sie fasste ihn wieder an, ohne darüber nachzudenken. Gerne nahm sie seine helfende Hand beim Überqueren des wilden Baches. Sie hielt sie sogar länger als nötig. Kelii lächelte zufrieden.
»Es geht dir besser … und wenn du bei Hoku warst, wird es dir wieder
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