Tal der Traeume
er? Vielleicht war bei anderen Männern keine Liebe im Spiel. Er vergötterte Harriet noch immer, und wie konnte er aufhören, seinen Sohn zu lieben? Im Grunde hatte er Angst, beide zu verlieren; der Schmerz war ohnehin schlimm genug. Sein Magen verkrampfte sich, seine Knochen taten weh, verzweifelt machte er sich klar, dass er es mit der Jugend nicht aufnehmen konnte. In Gegenwart von Harriet und Myles fühlte er sich alt. An diesem Abend veranstaltete der Himmel ein Feuerwerk. Grelle Blitze zuckten im Zickzack über den Himmel, es wurde taghell, während der Donner grollte und zornig zerbarst, als wollte er die Erdlinge vor den ungezähmten Naturgewalten warnen.
Harriet hatte Angst. Ihre Mutter hatte bei Gewittern die Spiegel verhängt, doch hier machte sich niemand die Mühe, da die Sommergewitter zu häufig auftraten. Sie wollte nicht auf der kühleren Veranda sitzen, und William gesellte sich vor dem Abendessen zu ihr in den Salon. »Es hat keinen Sinn, sich wegen der Blitze zu sorgen, solange man nicht unter einem Baum steht«, sagte er. »Außerdem tobt das Gewitter über dem Meer. Du kannst die Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen, dann weißt du, wie weit es noch entfernt ist.« »Und wenn keine Zeit dazwischen liegt?«, fragte Harriet nervös. »Dann hat der Blitz im Haus eingeschlagen«, antwortete er grinsend. William hatte sich bereits mit drei Gläsern Whisky für die kommende Frage gestärkt. »Harriet, Liebes, möchtest du mir irgendetwas sagen?« Sie sprang wie von der Tarantel gestochen auf. »Wieso?« William sank in sich zusammen. »Ich weiß nicht. Bist du glücklich? Du wirkst in den letzten Tagen so distanziert.« »Natürlich, es ist alles in Ordnung. Nur das Wetter behagt mir nicht. Im letzten Jahr war es anders, da überfielen uns die Regenfälle beinahe, aber diesmal zieht sich alles in die Länge, und dann die ständigen Gewitter. Sie sind furchtbar, und dennoch fällt nicht genügend Regen.« »Regen reinigt hier nicht die Luft«, murmelte er, »es wird nur feuchter und ungemütlicher. Erst am Ende, wenn die Sonne alles getrocknet hat, wird es wieder klar.« »Na gut, wenn du es so genau weißt«, fauchte Harriet. »Ich habe nur gedacht, dass du vielleicht nicht richtig schlafen kannst. Falls dich die Hitze stört, könnte ich auch ins Gästezimmer ziehen.« Überrascht stimmte sie zu. »Oh, William, wäre das möglich? Das würde es leichter machen. Ich meine, wir schwitzen ohnehin so sehr, kein Wunder, dass wir keinen Schlaf finden.« Er nickte, missbilligte aber ihre eifrige Zustimmung. »Dann veranlasse doch bitte, dass Tom Ling meine Sachen ins andere Zimmer bringt.« Bevor sie davoneilen konnte, stellte er eine weitere Frage. »Wie sieht es übrigens mit Myles und Lucy aus? Wie ich höre, werden die Hamiltons allmählich ungeduldig.« »Tatsächlich? Dann sollten sie mal Lucy fragen. Sie trifft sich mit Christy Cornford. Ein nettes Paar.« Das waren keine guten Neuigkeiten. Kein Wunder, dass Maudie die Sache in die Hand genommen hatte. In ihren Augen konnte Cornford einem Oatley nicht das Wasser reichen. Dieser verdammte Kerl, musste er denn in alles seine Nase stecken? Lucy war Williams letzte Chance gewesen, das Paar zu trennen, doch wenn man es ehrlich betrachtete, war Christy vermutlich eine bessere Wahl als Myles mit seinem schändlichen Verhalten. Immerhin gab er offen zu, dass er auf der Suche nach einer passenden Ehefrau war. Vielleicht würden die Hamiltons ihn akzeptieren, um Lucy die Demütigung zu ersparen, von Myles sitzen gelassen zu werden. Myles kam nicht zum Essen nach Hause. Als er endlich eintraf, erwartete ihn sein Vater. Leider hatte William in der Zwischenzeit noch mehrere Gläser Whisky getrunken. Er passte Myles auf der Veranda ab. »Da bist du ja! Ich dachte schon, du wärst ausgezogen. Bekomme dich in letzter Zeit selten zu Gesicht.« »Ich bin nie weit weg.« »Hast du dich gut amüsiert?« »Ja, wobei die Gesellschaft in Darwin nicht gerade prickelnd ist.« »Dann solltest du vielleicht wieder abreisen.« »Ehrlich gesagt würde ich es gerne tun. Mein Herz hängt an Millford, ich kann es gar nicht erwarten, dorthin zu ziehen.« »Warum fährst du nicht gleich?« Myles ließ seinen Mantel auf einen Stuhl fallen. »Hast du getrunken, Vater?« »Nicht viel«, meinte William freundlich. »Ich habe gefragt, warum du nicht gleich fährst?« Myles setzte sich in einen Korbsessel. »Herrgott, was ist bloß in dich gefahren, Vater? Erstens möchte ich
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