Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
Sorgen um sein Fohlen. Und er ist froh, dass du dich kümmern wirst, weil er mit Neil für ein paar Tage auf einen Pferdemarkt nach Montana fahren will und Della schon mit den übrigen Pferden genug zu tun hat.« Mein Vater deckte mich zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Schlaf jetzt, Tally! Morgen sieht vielleicht alles schon ganz anders aus.«
    Doch ich konnte lange nicht einschlafen. Ich konnte und wollte Stormy nicht allein lassen. Vielleicht machte die fremde Umgebung ihm Angst, wenn niemand da war, den es kannte.
    Als mein Vater ins Bett gegangen war, schnappte ich mir eine Decke, tappte ins Badezimmer zurück und legte mich neben das Fohlen auf den Boden. Ich roch seinen Schweiß und hörte seinen rasselnden Atem. Solange ich ihn hörte, war alles gut.
    Ich schloss die Augen. Irgendwann hörte ich Stormy schnarchen und konnte endlich loslassen. Mit einem bangen Lächeln schlief ich ein.
    Am nächsten Morgen wachte ich auf, als mein Vater ins Badezimmer kam, um nach Stormy zu sehen. Wahrscheinlich wunderte es ihn nur wenig, dass ich neben dem Fohlen geschlafen hatte, denn er verlor kein Wort darüber.
    Er streichelte Stormys Hals und fragte: »Na, wie geht’s euch beiden heute Morgen?«
    Ich rieb mir die Augen. »Mir geht es gut«, sagte ich. Stormy ging es nicht gut. Das Fell des Fohlens war schweißverklebt und stumpf. Es lag da mit eingeknickten Beinen und atmete schwer. Bei seinem jammervollen Anblick wurde mir ganz flau im Magen.
    Â»Es wird schon wieder werden«, sagte Dad. »Vielleicht kannst du Stormy dazu bringen, dass sie für eine Weile aufsteht. Das wäre gut. Und dass sie was frisst.«
    Später hörte ich ihn hämmern, und als ich nachsah, was er baute, entdeckte ich einen Brettersteg, der vom Hintereingang des Trailers zur Wiese führte. Nun konnte Stormy auf eigenen Beinen nach draußen gehen, wenn sie wieder dazu in der Lage war.
    Dad lächelte und sagte. »Ich muss jetzt zu Mike Red Bear in die Slim Buttes, Talitha. Er wartet sicher schon auf mich. Sollte etwas sein mit Stormy, dann ruf Tom an. Er fährt erst in zwei Tagen nach Montana. Auf dem Tisch liegt auch die Nummer von Dr. Morgan.« Er drückte mich an sich. »Ich muss los.«
    Ich sah ihm nach, wie er davonfuhr. Was würde ich bloß anfangen ohne ihn, dachte ich. An meinem Dad konnte ich mich festhalten. Wenn ich traurig war, brachte er mich zum Lachen. Er war ein guter Zuhörer und Ratgeber. Er hatte mich gelehrt zu vertrauen und zuversichtlich zu sein. Ich bewunderte ihn, wie er um ein würdevolles Leben kämpfte und nie aufgab, obwohl er immer wieder auf Menschen traf, die ihn enttäuschten. Dad konnte auch noch in der schlimmsten Situation Hoffnung schöpfen und diese Hoffnung an andere weitergeben.
    Er behauptete felsenfest, dass man selbst ein widriges Schicksal noch zum Positiven biegen konnte, wenn man das mit aller Kraft wollte.
    Mein Vater schimpfte mich nie, und nur einmal hatte ich ihn wirklich böse erlebt. Das war, als er am Rande eines Powwows zwei Jungen entdeckte, die einen alten Hund quälten, der auf einem Auge blind war. Die beiden Burschen waren mindestens schon vierzehn und ziemlich kräftig, aber Dad packte die beiden am Arm und drückte mit seinen starken Fingern so fest zu, dass sie vor Schmerz in die Knie gingen. Er erzählte ihnen etwas über Respekt vor dem Leben und dass Wakan Tanka allen lebendigen Wesen eine Seele gegeben hat. Ich habe diese Szene nie vergessen.
    Dads Pick-up bog unten im Tal auf die Teerstraße und verschwand aus meinem Blickfeld. Nach dem gestrigen Gewitter war die Luft voll frischem Salbeiduft. Aber die Sonne wärmte schon wieder und würde bald die kostbare Feuchtigkeit aus dem Boden gesaugt haben.
    Stormy und ich waren nun allein. Ich überlegte, ob ich Adena anrufen sollte, damit sie herunterkam und ich ihr alles erzählen konnte. Aber dann hätte ich ja auch zugeben müssen, dass alles meine Schuld war. Und ich wollte nicht bedauert werden. Auch nicht von meiner besten Freundin.
    Ich ging zu Stormy ins Badezimmer und schaffte es tatsächlich, sie auf die Beine zu stellen. Aber nun sah sie noch trauriger aus. Stormy schwankte auf ihren dünnen Beinen, das Fell schweißverklebt, der weiße Verband voll Blut. Stormy ließ den Kopf beinahe bis auf den Boden hängen und schnaubte leise. Es klang so traurig. Wahrscheinlich fragte sie sich, wo sie

Weitere Kostenlose Bücher