Talitha Running Horse
Thunderhawks Pferden zu fahren. Ich war gespannt darauf, wie Stormy sich eingelebt hatte. Adena schenkte mir einen groÃen Traumfänger, den sie selbst gefertigt hatte: ein kreisrund gebogener Weidenzweig, umwickelt mit hellen Lederstreifen. Der Weidenring symbolisiert den Kreis des Lebens. Das darin gesponnene Netz aus gewachstem Strick fängt die guten Träume auf und über die Federn und Lederbänder, die am unteren Rand des Traumfängers befestigt sind, werden sie in den Kopf des Träumers geleitet. Die schlechten Träume fallen durch das Loch in der Mitte. Die wunderschöne rote Glasperle, die Adena darin befestigt hatte, sollte die Spinne darstellen, die das Netz in den Kreis des Lebens gewebt hatte.
Es gab keine Familie im Reservat, die nicht wenigstens einen Traumfänger im Haus hatte, und in den meisten Autos hing eine kleinere Ausgabe am Rückspiegel. Der Traumfänger, den Adena mir gebastelt hatte, war der schönste, den ich je besessen hatte. »Damit du niemals böse Träume hast, Tally«, sagte sie, und wir umarmten uns.
»Hab vielen Dank«, sagte ich, »der ist wunderschön.«
»Ich hab mir auch mächtig Mühe gegeben.« Sie lachte. »Mom hat mir ein bisschen dabei geholfen.«
Es war nicht so einfach, das eigenwillige Muster des Netzes zu weben, aber jedes Lakota-Mädchen konnte es. Und ich wusste, dass Adena es besonders gut konnte.
»Wie war dein Date mit Billy?«, fragte ich.
Adena zuckte die Achseln. »Ganz nett.«
»Ganz nett?« Vielleicht war es ja doch nicht so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte â¦
»Er hat mir die ganze Zeit von seinem Basketballteam erzählt und was für ein toller Spieler er ist«, sagte Adena. »Das war ziemlich nervtötend. Als wir uns dann verabschiedeten, wollte er mich küssen. Ich war nicht einmal zu Wort gekommen, aber er packte mich im Klammergriff und wollte mir seine Zunge in den Mund stecken.« Ich wollte Adena bestimmt nicht kränken, aber ich konnte das Glucksen, das in mir aufstieg, einfach nicht unterdrücken. SchlieÃlich lachten wir beide.
»Jungs«, sagte Adena und verdrehte die Augen.
Zum Mittagessen waren wir bei den White Elks eingeladen. Es gab Hirschgulasch mit gerösteten Kartoffeln und zum Nachtisch Pudding.
Nellie hatte mir einen Pullover aus weicher bunter Wolle gestrickt. Von Jason bekam ich ein selbst gemaltes Bild: Stormy und ich auf der grünen Wiese. Ich umarmte Adenas kleinen Bruder, der auf einmal ganz verlegen wurde.
Nach dem Essen halfen Adena und ich Nellie noch mit dem Abwasch, dann machten wir uns auf den Weg. Ich konnte es kaum erwarten, Stormy wieder zu sehen. Dad fuhr gleich bis zur Scheune der Thunderhawks, weil Charlenes Ford-Combi nicht vor dem hellblauen Haus stand und wir davon ausgingen, dass sie nicht da war. Ich war nicht böse darüber, einem Höflichkeitsbesuch zu entgehen, auf den meine Tante ohnehin keinen Wert gelegt hätte. GroÃzügigkeit, die wichtigste Tugend bei uns Lakota, war nicht unbedingt ihre Stärke. Sie freute sich nur über unseren Besuch, wenn Dad etwas reparieren sollte.
Ich lief hinüber zum Haus, um Tom Bescheid zu sagen, dass wir da waren, da erschien Della in der Tür. Sie winkte mich heran. Zuerst dachte ich, sie wollte mir zum Geburtstag gratulieren, aber dann bemerkte ich, dass sie ganz verweint aussah. Ihre Augen waren rot und geschwollen und sie knüllte ein Taschentuch in der Hand.
»Ist was passiert?«, fragte ich erschrocken. Bitte nicht, dachte ich. Nicht heute an meinem Geburtstag. Bitte, Wakan Tanka â¦
Dad und Adena waren inzwischen auch da. Alle drei sahen wir Della fragend an.
»Neil ist im Krankenhaus«, sagte sie und schluchzte. »Aber kommt doch erst einmal herein.«
Bey und April spielten in einer Ecke des Zimmers leise mit ihren Puppen, als Della uns erzählte, dass Neil am Freitag nach der Schule ganz furchtbar verprügelt worden war. »Sie haben ihn niedergeschlagen und immer wieder auf ihn eingetreten. Sie waren zu viert, er hatte überhaupt keine Chance.«
Marlin, fuhr es mir wie ein glühender Blitz durch den Kopf. Mein Cousin hatte nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet, um sich für die Prügel auf dem Powwow-Gelände zu rächen. Ich war mir da ziemlich sicher.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich mit kläglicher Stimme. »Ist er schlimm verletzt?«
»Sie haben ihn eine
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