Talitha Running Horse
Klassenkameraden waren in Ordnung, und ich saà wieder neben Lisa, die zwar nicht meine Freundin war, aber jemand, den ich mochte.
Als Dad mir antwortete, stand in seinem Brief, dass Arnold Colder, der Anwalt aus Kalifornien, seine Verteidigung übernommen hatte.
Ich war so froh darüber, dass ich in meinem Zimmer umhersprang.
Nun würde alles gut werden, davon war ich fest überzeugt.
Ich lief sofort zum Haus der Thunderhawks und erzählte Tom und Della die gute Neuigkeit.
Della umarmte mich, aber Tom dämpfte meine Freude. »Auch wenn Colder die Verteidigung übernommen hat, Tally, erwarte nicht, dass dein Dad schon übermorgen wieder zu Hause ist. Es wird dauern. Du musst Geduld haben.«
Mein 16. Geburtstag war ein Dienstag, und ich wusste, es würde ein trauriger Tag werden. Der erste Geburtstag in meinem Leben, den ich ohne meinen Vater verbringen musste.
Am Tag zuvor hatte ich das Haus sauber gemacht und einen Kuchen gebacken, denn am Nachmittag erwartete ich Adenas Besuch. Sie war schon im August 16 geworden und hatte seit zwei Wochen einen Führerschein. Ihr Vater lieà sie mit dem alten Pick-up fahren. Wir hatten verabredet, dass sie sich gleich nach der Schule auf den Weg machen würde.
Als ich am Morgen in die Küche kam, duftete es bereits nach frischem Kaffee und auf dem Tisch stand ein kleiner Strauà Blumen. Tante Charlene hatte meinen Geburstag diesmal nicht vergessen und war sogar früh aufgestanden, um mir zu gratulieren. Ihr Geschenk bestand aus buntem Briefpapier und einigen Briefmarken.
»Damit du deinem Vater immer schreiben kannst«, sagte sie.
Ich freute mich darüber. »Danke«, sagte ich, »das kann ich gut gebrauchen. Und die Blumen sind wirklich hübsch.«
Charlene lächelte. Sie weckte Marlin und wir frühstückten zu dritt. Das war in der ganzen Zeit, die ich nun schon hier wohnte, noch nicht einmal vorgekommen.
Nach dem Frühstück fuhr meine Tante Marlin und mich in ihrem Ford-Combi nach Manderson. Ich hätte lieber mit Neil den Schulbus genommen, aber das konnte ich Charlene nicht sagen.
Der Himmel war grau, und als wir vor der Schule ausstiegen, begann es zu regnen.
Ein Schultag ist lang, wenn man den Nachmittag so sehr herbeisehnt wie ich an jenem Tag. Ich freute mich auf Adena und konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Während ich nach dem Unterricht mit Neil im Regen auf den Schulbus wartete, hielt auf einmal ein weiÃer verbeulter Jeep am StraÃenrand. Es war Leo Little Moon. Er sah umwerfend aus â in seinem weiÃen T-Shirt und den Jeans, seiner sonnenbraunen Haut und den langen Haaren, die ihm offen über die Schultern fielen.
Leo winkte mich zu sich, und als ich vor ihm stand, breitete er lächelnd die Arme aus. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich von ihm umarmen zu lassen. Er duftete gut, ganz frisch nach Seife. »Alles Gute zum Geburtstag, Tally.«
Ich war ganz durcheinander. Wir wurden nass, aber das störte mich nicht. Es war mein Lieblingsregen â ohne Blitz und Donner.
»Ich fahr dich nach Hause, okay?«
Ich sah mich nach Neil um, der dastand und finster dreinblickte.
»Er kann natürlich mitkommen«, sagte Leo. Er gab Neil ein Zeichen, und zuerst sah es so aus, als würde Neil Leos Angebot ignorieren. Aber dann kam er lässig herüber, begrüÃte Leo wortlos und stieg in den Jeep.
Ich lud Neil zum Kaffee ein, aber er behauptete, noch Wichtiges erledigen zu müssen und wir würden uns ja sowieso am Abend sehen.
»Meine Mutter lädt dich zum Abendessen ein«, sagte er zu mir, als Leo ihn vor seiner Haustür absetzte. »Gegen sieben, okay?«
»Okay«, sagte ich.
In Charlenes Küche bot ich Leo einen Kaffee an, und er übergab mir ein Päckchen meines Vaters und eine längliche, in buntes Geschenkpapier verpackte Schachtel.
»Das ist von mir«, sagte er.
Ich packte es gleich aus. Es war eine Kette aus kleinen Türkisen, an der eine Schildkröte aus rotem Stein hing.
»Danke, Leo«, sagte ich. »Die ist wunderschön.«
»Navajo-Schmuck«, sagte er. »Ich habe sie unten in Arizona gekauft.« Den Sommer über hatte ich Leo öfter im Laden getroffen, und da Charlene es meistens nicht eilig hatte, war immer Zeit für ein Schwätzchen geblieben. So hatte ich einiges über seine Brüder und seine Eltern erfahren, was er so machte, wenn er nicht im Laden stand, und
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