Talivan (German Edition)
in die Wirklic h keit.
„Diese Frauen sind schließlich Kriegerinnen“, entge g nete sie härter als gewollt, „sie werden schon nicht zulassen, dass anderen Frauen Leid g e schieht.“
Sie stand abrupt auf und wandte sich zum Gehen. Erst an der Tür, im Herumdrehen, bemerkte sie, dass der Magd noch eine weitere Frage auf den Lippen zu brennen schien. Zwar wollte sie keine weiteren Fragen beantworten, ha t te sie doch selber noch genügend Antworten zu finden, zwang sich dann aber doch, sie ermutigend anzusehen – Gerüchte über Belsa selbst, vielleicht nur durch eine unbedachte B e merkung an die falsche Person entstehend, mochten ihr mehr schaden als ein paar Minuten verlorener Zeit, auch wenn diese nun plöt z lich viel zu kostbar schien.
„Ich hatte gedacht“, begann Vinim zögernd, den Blick zu Boden gerichtet, „weil du aus Eijsal kamst, dass das vie l leicht der Grund sein könnte, dass du … dein Kind so hasst …“ Sie schluckte schwer an ihren hinausdrängenden Tr ä nen.
Belsa ging langsam wieder auf die junge Frau zu und setzte sich ihr gegenüber. „Aber nein“, hob sie an, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen wollte, „dieses Kind …“, vergeblich wehrte sie sich gegen den sarkastischen Unte r ton in ihrer Stimme und hoffte nur, Vinim werde ihn übe r hören, „es ist ein Kind der Liebe, in einer wunderschönen Nacht mit meinem Liebsten gezeugt.“ Gegen Ende war ihre Stimme fester geworden und hatte fast ehrlich geklungen, jedenfalls offenbar aufrichtig genug, um die Magd zu übe r zeugen, die sie nun mit glänzenden Augen anblickte: „Du meinst, dann brauche ich mir wirklich keine Sorgen zu m a chen?“
Als die Kriegerin verneinte, sah sie in Vinims G e sicht eine offenbar noch immer nagende Frage und schaute sie e r mutigend an. Die junge Frau zögerte und wandte ihren Blick wieder ab, bevor sie erneut zu sprechen anhub: „Aber w a rum“, fragte sie leise, „warum hasst du dann dein Kind?“
Vinim hätte es nicht verstanden, wie auch immer Be l sa es ihr zu erklären versucht hätte, weshalb sie völlig auf eine Antwort verzichtet hatte. Für diese Südländerinnen, die e ben nichts anderes kannten, als ihre Männer zu bedienen und ihnen Kinder zu gebären, mochte jede Schwange r schaft ein wundervolles Erlebnis sein, aber nicht für sie, die es gewohnt war, Seite an Seite mit ihren Schwer t kameraden zu kämpfen und das gleiche Leben wie diese zu führen.
Mühsam richtete sie sich auf, während Kopf und Magen rebellierten, und trug den schweren Wasserkübel vom Brunnen zurück zu dem kleinen Tor im Westen des Schlosshofes. Erste Sonne n strahlen hatten ihren Weg über die hier recht niedrigen Mauern gefunden und zeichneten den Schatten der Kriegerin schwarz auf rotem Stein. Schon war sie durch das Tor gegangen, als sie stutzte, den Kübel absetzte und wieder nach draußen trat. Die dunkle G e stalt auf der Mauer hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der schlanken, au f rechten Schwertkämpferin, die sie noch vor knapp einem Jahr gewesen war. Ohne jeden Grund sah sie für einen Moment das Bild verschlungener, im Mon d licht glänzender junger Körper vor sich, diese Nacht mit Errit – sie schüttelte den Kopf, um weitere Gedanken zu ve r scheuchen, bevor sie hätten gedacht werden können, und trug den Wasserkübel weiter zur Küche. Nur Inwar b e merkte aus den Augenwinkeln, dass Belsa vielleicht ein klein w e nig sicherer und entschlossener wirkte als noch am Vortag.
„Man müsste“, flüsterte Vinim, nachdem sie sich sor g sam in alle Richtungen umgesehen hatte, „ei n fach dafür sorgen, dass unser König sich ergibt oder freiwillig in die Ve r bannung geht! Oder …“
Belsa seufzte leise. „Du bist eine Magd und keine Krieg e rin!“, entgegnete sie eindringlich. „Wie willst du alleine denn das schaffen?“
Als sie die Hoffnung in den Augen der jungen Frau sah, begriff sie ihren Fehler und fügte schnell hinzu: „Und auch ich werde nichts erreichen können, was nicht einmal der letz t jährige Aufstand der Rubindaler geschafft hat. Wir sind beide keine Kriegerinnen!“ Wieder fühlte sie den Schmerz, als sie sich ve r leugnete.
Vinim sah sie lange verständnislos an, bevor sie sich mit einem Ruck erhob und wieder ihrer Arbeit z u wandte.
„Verstehst du denn nicht“, sagte Belsa leise, fast we h mütig, als die unerwünschten Bilder wiederkamen, „wir können nur zusehen und versuchen, möglichst viele Dinge so früh als möglich zu e r fahren,
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