Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
ein.«
»Das wäre wirklich außerordentlich praktisch, Hochmeister Vanion«, warf Tynian ein. »Auf diese Weise hätten wir alle, die wir schützen wollen, in unserer Nähe. Wir bräuchten nicht erst nach ihnen zu suchen und müßten nicht fürchten, Verdacht zu erregen, wenn wir im Schloßgarten hinter Kabinettsministern herjagen.«
Sperbers Knappe schüttelte den Kopf.
»Was gefällt dir nicht, Khalad?« fragte Ehlana.
»Dieser Graben ist bestimmt nicht für Wasser angelegt worden, Majestät. Wir wissen nicht, wie durchlässig der Boden ist. Es könnte sein, daß das Wasser versickert, das wir hineinpumpen. In ein paar Stunden könnte der Graben bereits wieder trocken sein.«
»Zu dumm!« sagte Ehlana enttäuscht. »Daran hab ich nicht gedacht.«
»Das übernehme ich, Ehlana.« Sephrenia lächelte. »Ein guter Plan sollte nicht an ein paar Naturgesetzen scheitern.«
»Tut Ihr es, bevor wir den Graben füllen, Sephrenia?« fragte Stragen.
»Das wäre am einfachsten.«
Er runzelte die Stirn.
Sie blickte ihn fragend an. »Was spricht dagegen?«
»Unter dem Burggraben führen drei Tunnels zu Geheimgängen und Lauschposten in der Burg.«
»Das sind die drei, von denen wir wissen«, warf Ulath ein.
»Eben. Würden wir uns nicht alle sicherer fühlen, wenn diese Gänge – auch die, von denen wir nichts wissen – voll Wasser wären, ehe der Kampf beginnt?«
»Ausgezeichnete Idee«, lobte Sperber.
»Ich kann mit der Abdichtung des Grabens warten, bis ihr die Gänge geflutet habt«, versicherte Sephrenia ihnen.
»Was meint Ihr, Vanion?« fragte Emban.
»Die Vorbereitungen für das Fest der Königin würden in der Tat von unseren Befestigungsarbeiten ablenken«, gab Vanion zu. »Es ist ein sehr guter Plan.«
»Mir gefällt er auch – bis auf die Sache mit den Barken«, sagte Sperber. »Tut mir leid, Ehlana, aber diese Barken könnten dem Mob Zugang zu unseren Mauern verschaffen. Das würde die Sperrwirkung des Grabens zunichte machen.«
»Darauf wollte ich gerade kommen, Sperber. Naphta schwimmt doch an der Wasseroberfläche, nicht wahr?«
»Ja. Aber was hat das damit zu tun?«
»Eine Barke ist nicht nur eine schwimmende Plattform. Sie hat ein Unterdeck. Angenommen, wir füllen es mit Fässern voller Erdöl. Dann, wenn es ernst wird, werfen wir Steine vom Wehrgang hinunter. Sie werden die Barken wie Eierschalen zertrümmern. Das Naphta wird sich über das Wasser im Burggraben verteilen. Dann zünden wir es an und umgeben die Burg auf diese Weise mit einem Feuerwall. Das würde den Angreifern sehr zu schaffen machen.«
»Ihr seid ein Genie, meine Königin!« rief Kalten.
»Wie schön, daß Euch das endlich aufgefallen ist, Ritter Kalten«, antwortete sie selbstgefällig. »Das Schöne an der Sache ist, daß wir sämtliche Vorbereitungen in aller Öffentlichkeit treffen können, ohne des Nachts herumschleichen und Schlaf opfern zu müssen. Dieses Galabankett bietet uns die perfekte Ausrede, in der Burg praktisch alles zu tun, was nach Dekoration ausschaut.«
Mirtai umarmte plötzlich ihre Besitzerin und küßte sie. »Ich bin so stolz auf Euch, meine Mutter!«
»Ich freue mich, daß du es billigst, meine Tochter«, erwiderte Ehlana mit ungewohnter Bescheidenheit. »Aber du solltest vielleicht etwas mehr Zurückhaltung walten lassen. Du hast doch nicht vergessen, was du mir von Mädchen erzählt hast, die andere Mädchen küssen.«
»Wir haben zwei weitere Gänge gefunden, Sperber«, berichtete Khalad, als sein Ritter sich im Wehrgang zu ihm gesellte. Khalad trug einen schwarzen Leinenkittel über der schwarzen Lederweste.
Sperber blickte hinunter auf den Burggraben, wo ein Trupp Arbeiter lange Stahlstäbe in die weiche Erde am Boden des Grabens trieb. »Ist das nicht zu auffällig?« fragte er.
»Nein, wir müssen Pflöcke einschlagen, an denen man die Barken vertäuen kann. Die Gänge befinden sich allesamt ungefähr fünf Fuß unter der Oberfläche. Die meisten Arbeiter mit den Vorschlaghämmern wissen gar nicht, wonach sie wirklich suchen, doch ich habe genügend Ritter unten im Graben bei ihnen. Wenn wir den Graben füllen, werden die Decken dieser Gänge nicht mehr dicht sein.« Khalad blickte hinüber zum Rasen; dann legte er die Hände als Trichter vor den Mund und brüllte auf tamulisch: »Vorsichtiger mit der Barke! Wenn ihr die Fugen beschädigt, wird sie leck!«
Der Vorarbeiter der tamulischen Arbeitermannschaft, der die rundbugige Barke mühsam auf Rollen über den Rasen zog, blickte
Weitere Kostenlose Bücher