Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Sicht kommt ein guter Dieb in friedlichen Zeiten zu mehr Wohlstand. Natürlich kann Kondrak nicht für alle anderen Diebe mitentscheiden. Er muß erst mit seinen Kollegen in anderen Städten des Imperiums palavern.«
»Ich schätze, das wird ein Jahr dauern«, sagte Sperber trocken.
»Kaum«, widersprach Stragen. »Diebe sind viel schneller als ehrliche Menschen. Kondrak wird Botschaften schicken, in denen er unsere Ziele beschreibt, und er wird sich dafür stark machen. Ich glaube, die Chancen stehen recht gut, daß sich die Diebe aller Königreiche des Imperiums auf unsere Seite schlagen.«
»Wie erfahren wir, welche Entscheidung sie getroffen haben?« fragte Tynian.
»Ich werde in jeder größeren Stadt, durch die wir ziehen, einen Höflichkeitsbesuch machen.« Stragen zuckte die Schultern. »Früher oder später bekomme ich eine formelle Antwort. Das dürfte nicht allzu lange dauern. Wir werden die endgültige Entscheidung haben, ehe wir Matherion erreichen.« Er blickte Ehlana nachdenklich an. »Eure Majestät haben in den letzten Jahren viel über die Unterweltsorganisation erfahren. Wäre es möglich, dies zum Staatsgeheimnis zu erheben? Wir sind durchaus zur Zusammenarbeit bereit, wenn erforderlich sogar zur Hilfeleistung, aber wir würden uns viel wohler fühlen, wenn die anderen Monarchen nicht allzu viel über unsere Arbeitsweise erführen. Ein Übereifriger könnte es sich in den Kopf setzen, die geheime Organisation zu zerschlagen, und das würde ziemliche Probleme mit sich bringen.«
»Was ist es Euch wert, Durchlaucht Stragen?« neckte Ehlana ihn.
Sein Blick wurde sehr ernst. »Das ist eine Entscheidung, die Ihr selbst treffen müßt, Ehlana«, sagte er eindringlich und ließ Titel und Förmlichkeit beiseite. »Ich habe mich bemüht, Euch zu unterstützen, wann immer es mir möglich war, weil ich Euch ehrlich zugetan bin. Falls Euch jedoch in dieser Sache bei einem Gespräch nur das Geringste entschlüpft und andere Monarchen etwas erfahren, was sie nicht wissen sollten, könnte ich Euch keine Hilfe mehr sein.«
»Ihr würdet mich im Stich lassen, Durchlaucht Stragen?«
»Nie, Majestät. Aber meine Kollegen würden mich umbringen lassen, und tot wäre ich wohl kaum noch von Nutzen für Euch, oder?«
Erzmandrit Monsel war ein kräftiger, imposanter Mann mit schwarzen Augen, durchdringendem Blick und einem beeindruckenden schwarzen Bart. Es war ein aggressiver Bart, ein Aufmerksamkeit fordernder Bart, ein Bart, den man unmöglich zu übersehen vermochte, und der Erzmandrit benutzte ihn wie einen Rammbock. Wo immer er hinging, der Bart war ihm einen Meter voraus. Er stellte sich auf, wenn sein Träger gereizt war – und das war er häufig –, und bei feuchtem Wetter verhedderte er sich wie billige Angelschnüre. Der Bart wippte, wenn Monsel sprach, und betonte manches Wort auf seine Weise. Patriarch Emban war von diesem Bart zutiefst fasziniert. »Als würde man sich mit einer lebendig gewordenen Hecke unterhalten«, sagte er zu Sperber, als er ihn durch die Schloßkorridore zu einer Privataudienz bei dem astelischen Geistlichen begleitete.
»Gibt es bestimmte Themen, die ich lieber meiden sollte, Eminenz?« erkundigte sich Sperber. »Ich bin mit der astelischen Kirche nicht vertraut und möchte keineswegs theologische Streitgespräche auslösen.«
»Unsere Meinungsverschiedenheiten beziehen sich auf die Kirchenherrschaft, Sperber; die rein theologischen Differenzen sind kaum der Rede wert. Wir haben weltliche Kleriker, während die astelischen Geistlichen zugleich Mönche sind. Außerdem haben die Asteler weit mehr Priester und Mönche als wir – etwa ein Zehntel der Bevölkerung.«
»So viele?«
»O ja. Jeder Landsitz und jedes Stadthaus eines astelischen Edlen hat eine eigene Kapelle mit einem eigenen Priester, und dieser Priester wird hinzugezogen, wenn Entscheidungen zu treffen sind.«
»Wie finden sie nur so viele Männer, die bereit sind, Priester zu werden?«
»Sie werden hauptsächlich aus den Reihen der Leibeigenen rekrutiert. Ein Priesterleben hat seine Nachteile, ist jedoch dem Leben eines Leibeigenen vorzuziehen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Wie auch immer, der Erzmandrit wird Euch respektieren, weil Ihr einem religiösen Orden angehört. Ach, übrigens, als Übergangshochmeister der Pandioner seid Ihr automatisch ein Patriarch. Wundert Euch also nicht, wenn er Euch mit ›Eminenz‹ anredet.«
Ein langbärtiger Mönch ließ sie in die Audienzkammer ein. Sperber
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