Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
eindrucksvolle Anklage, findet Ihr nicht? Ich bin sicher, es würde einen Mann Eures Standes kränken, ließe ich ihn wegen Herumtreiberei oder Spuckens auf die Straße verhaften. Atana, Liebste, sei so nett, laß diesen Verbrecher nach Cynestra bringen und in ein eigenes Verlies werfen.«
»Jawohl, Itagne-Botschafter.«
»Was für ein liebes Mädchen«, murmelte er.
»Ihr seid Eurem Bruder sehr ähnlich, Exzellenz«, versicherte Vanion dem lächelnden Itagne. »Nicht nur äußerlich, auch im Wesen.«
»Wie geht es dem alten Gauner eigentlich?«
»Gut, als wir ihn das letzte Mal sahen.« Vanion runzelte die Stirn. »Wir hätten es jedoch begrüßt, er hätte erwähnt, daß er Euch hierherzuschicken beabsichtigt.«
»So ist mein Bruder nun mal. Immer für eine Überraschung gut. Manchmal glaube ich, am liebsten möchte er Geheimnisse vor sich selbst bewahren.«
»Was genau ist hier passiert, Exzellenz?« fragte Sperber.
»Ihr müßt Ritter Sperber sein.« Itagne lächelte. »Eure Nase ist wirklich berühmt, wißt Ihr.«
»Danke«, murmelte Kalten bescheiden.
Itagne blickte ihn verblüfft an.
»Ich hab' sie ihm gebrochen, Exzellenz – als wir Kinder waren. Ich hielt es schon damals für eine gute Idee. Ritter Sperber trägt sie wie eine Auszeichnung. Ich muß gestehen, es schmerzt mich ein wenig, daß er offenbar nie auch nur daran gedacht hat, sich für den Gefallen zu bedanken, den ich ihm damit erwiesen habe.«
Itagne grinste. »Wie Ihr wahrscheinlich bereits erkannt habt, meine Herren, hat Oscagne mich nach Cynestra gesandt, um hier die Ordnung wiederherzustellen, da die Lage ziemlich eigenartig ist. Die Hierarchie in den entlegenen Winkeln des Imperiums war schon immer ein bißchen undurchsichtig. Für das Außenministerium sind die elenischen Königreiche, wie auch Valesien, Arjuna und Cynesga, im Grunde ausländische Reiche, die sich Tamul rechtmäßig unterwerfen müssen. Damit wären die Botschafter, die wir in diese Länder entsandt haben, die höchsten Autoritäten. Das Innenministerium dagegen ist seit jeher der Ansicht, daß diese Länder ein fester Teil Tamulis sind und darum ausschließlich ihm unterstehen. Deshalb betreiben Oscagne und Kolata seit Jahren eine rege Haarspalterei, was diese Frage angeht. Botschafter Taubel ist ein politischer Emporkömmling, und seine verblüffende Fähigkeit, so reibungslos mit dem Innenministerium zusammenzuarbeiten, verwunderte meinen Bruder. Aus diesem Grunde hat er mich von der Universität geholt – wo ich recht zufrieden war, in Ruhe mein Auskommen zu haben – und schickte mich hierher, getarnt als Unterstaatssekretär, damit ich versteckte Untersuchungen durchführe.« Er lachte. »Ich werde dafür sorgen, daß er es diesmal ebensosehr bereut wie die beiden vorherigen Male.«
»Ich fürchte, das verstehe ich nicht«, gestand Sperber.
»Es ist das dritte Mal, daß Oscagne mich aus dem Privatleben reißt, damit ich irgendwo für ihn die Kastanien aus dem Feuer hole. Ich mag es nicht, so herumgezerrt zu werden. Deshalb werde ich ihm diesmal eine Lektion erteilen. Vielleicht übernehme ich sein Amt als Außenminister. Eine Zeitlang zumindest, bis er begreift. Dann bekommt er dieses Amt zurück – falls überhaupt.«
»Seid Ihr wirklich ein so fähiger Mann, Itagne?« fragte Sephrenia.
»Aber gewiß, teure Dame. Ich bin mindestens doppelt so gut wie Oscagne – und das weiß er. Deshalb werde ich auch immer nur auf Zeit dienstverpflichtet. Wo war ich? Ach ja. Ich kam nach Cynestra, errichtete ein funktionierendes Amt und fand ziemlich rasch heraus, daß Taubel und Kanzad vom selben Teller aßen. Dann habe ich die Anweisungen abgefangen, die nach den Unruhen in Matherion von dort an Taubel geschickt wurden. Ich beschloß, ihn nicht mit dieser unangenehmen Nachricht zu belästigen. Statt dessen begab ich mich direkt zur atanischen Garnison und unterrichtete unsere riesenhaften Freunde persönlich, daß das Innenministerium nichts mehr zu sagen hatte. Sie waren sehr erfreut darüber. Aus irgendeinem Grund mögen die Ataner Polizisten überhaupt nicht. Ich glaube, es hat mit ihrer Unabhängigkeit zu tun. Wie dem auch sei – ich wollte mir gerade Kanzad und Taubel vorknöpfen, als einer meiner Spione mir eure bevorstehende Ankunft meldete. Daraufhin beschloß ich, bis zu Eurem Eintreffen zu warten, ehe ich mit dem Aufräumen begann. Ich muß schon sagen, Sperber, Ihr habt die Beamten der hiesigen Abteilung des Innenministeriums sehr
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