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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Der Raum war zwar abgedunkelt, aber durch eine schmale Lücke zwischen den zwei schweren Vorhängen vor dem Fenster, durch die Nicholas am Morgen hineingespäht hatte, fiel ein verräterischer Lichtstrahl.
    Seit meinem letzten Besuch war hier aufgeräumt worden. Das wilde Durcheinander aus Bahnhofsschildern, Signallampen und Fahrplä nen war systematisch geordnet und jedes Stück säuberlich beschriftet worden. Der auffälligste Unterschied bestand allerdings darin, dass der Boden in der Mitte freigeräumt worden war, um Platz für Miranda Morrows tragbaren Behandlungstisch zu schaffen.
    Nicholas schritt zu dem Tisch hinüber. »Was für ein eigenartig modernes Gebilde«, überlegte er laut. »Wofür es nur verwendet wurde? Für das Zugpersonal oder für die Passagiere?«
    »Das geht Sie nichts an!«, bellte Mr Wetherhead.
    »Sie haben ganz Recht. Es geht mich wirklich nichts an.« Nicholas baute sich vor dem empörten kleinen Mann auf. »Aber ich wünschte mir, Sie würden sich mir anvertrauen, bevor die Polizei Sie um Aufklärung bittet.«
    Mr Wetherhead wurde leichenblass. »Die P-Polizei? Wovon reden Sie da?«
    »Von Mord.« Nicholas verriet keine Regung.
    In dem Dämmerlicht wirkte er fast bedrohlich.
    »Kein schönes Thema, aber eines, über das Sie meiner Meinung nach etwas wissen, etwas, das Sie der Polizei verschwiegen haben.«
    Mr Wetherhead blinzelte nervös. »I-ich habe ihr die W-Wahrheit gesagt«, stammelte er.
    »Dessen bin ich mir sicher«, sagte Nicholas sanft und legte eine Hand auf den Massagetisch,
    »aber Sie haben ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt, sondern nur einen Teil.«
    Mr Wetherhead starrte die Bank gebannt an, als wäre sein Blick daran festgenagelt. Seine Wange zuckte, und auf seiner gewölbten Stirn bildeten sich Schweißperlen. »Ich … ich …«
    »Wen schützen Sie?«, setzte Nicholas mit einer Stimme so weich wie Samt nach. »Sich selbst oder Miss Morrow?«
    »Ich bin doch kein … Ich bin …« Mr  Wetherhead reckte trotzig das Kinn. »Wenn Sie versuchen, Miranda zu beschuldigen, werde ich aussagen, dass sie bei mir war, als diese fürchterliche Frau gestorben ist.«

    »Sie werden sagen, dass sie bei Ihnen war?«
    Nicholas’ samtene Stimme wurde jäh schneidend. »Aber das stimmt doch überhaupt nicht!
    Nicht mal ansatzweise! Ihre Lügen mögen bei der Polizei ziehen, aber bei mir nicht, mein Bester, denn ich weiß , was Sie getrieben haben ! Ich weiß, dass Miss Morrow Ihr Haus immer um sechs Uhr in der Früh verlässt, und ich weiß, dass Mrs Hooper zwischen fünf und neun Uhr gestorben ist.« Nicholas drosch mit der Faust auf den Tisch. » Sagen Sie die Wahrheit , oder … «
    Mr Wetherhead ließ ihn nicht ausreden. »Miranda sollte einen Orden dafür bekommen, dass sie Pruneface umgebracht hat!«, schrie er unvermittelt. »Dieses gemeine Luder hat den Tod verdient!«

14
    DIE STILLE, DIE sich auf einmal über das Zimmer senkte, wurde nur von dem Klappern der Zitronenstangen im Pappkarton durchbrochen.
    Mr Wetherhead zitterte so heftig, dass ich schon fürchtete, seine Beine würden ihm den Dienst versagen. Mit einem vernichtenden Blick in Nicholas’ Richtung fasste ich den kleinen Mann behutsam am Ellbogen.
    »Kommen Sie, George«, sagte ich und führte ihn in die Küche. »Ich setze mal Teewasser auf.«
    Mr Wetherhead war nicht der Einzige, den Nicholas’ Gebaren erschüttert hatte. Ich war stinksauer! Der rücksichtslose Rüpel, der im Museumszimmer zum Vorschein gekommen war, hatte so gar nichts mehr mit dem höflichen, liebenswürdigen Mann gemeinsam, der mir im Bü ro des Pfarrers so fürsorglich eine Decke um die Schultern gelegt hatte. Ich verstand durchaus, warum Nicholas eine harte Taktik angewandt hatte, und war froh um das Ergebnis, doch diese Konfrontation hatte mir schmerzhaft bewusst gemacht, dass mein neuer Freund ebenso brutal sein konnte, wie er charmant war.

    Kaum waren wir in die Küche getreten, knipste er seinen Charme wieder an. Während ich den Tee zubereitete, setzte er sich Mr Wetherhead gegenüber an den Nierentisch und bot ihm seine aufrichtige Entschuldigung an.
    Mr Wetherhead war freilich nicht im Geringsten besänftigt. »Sie sind keinen Deut besser als sie«, brummte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Vorne rum war sie fürchterlich lieb und nett und hat so getan, als würde sie mir alles Mögliche nur deshalb erzählen, um mir einen Gefallen zu tun. Sie wolle bloß eine gute Nachbarin sein, hat sie behauptet. Von

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