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Tante Inge haut ab

Tante Inge haut ab

Titel: Tante Inge haut ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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herauszufinden, woher das Geräusch kam. Im Traum hatte sie auf einem Brettersteg gesessen und zugesehen, wie Onkel Walter und Tante Inge eine riesengroße Schwimmente aufpusteten. Onkel Walter trat wie ein Verrückter auf den Blasebalg, und Tante Inge ließ die Luft wieder aus dem Schnabel raus. Pfpfpfpfpfptt...
    Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte 5.30 Uhr. Johann lag neben ihr auf dem Rücken, mit leicht geöffnetem Mund. Pfpfpfpfpfptt ... Von wegen Schwimmente.
    Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, setzte sich Christine auf und strich ihm leicht über die Wange. Er drehte sich auf die Seite. Sofort verstummte das Geräusch. Trotzdem war sie jetzt wach. Und ihr Rücken tat weh. Früher konnte sie überall schlafen, seit ein paar Jahren bekam sie in jedem fremden Bett Rückenschmerzen. Nur in ihrem nicht. Selbst bei Johann quälte sie sich morgens wie eine alte Frau in den Tag, die ersten Schritte lief sie vermutlich schon gebückt, sie sah sich ja nicht selbst dabei. Vielleicht war das ein Zeichen, dass man mit Mitte vierzig einfach zu Hause bleiben sollte.
    Christine legte sich wieder hin. Starrte mit offenen Augen an die Decke und dachte an das Gespräch in der »Sturmhaube«. Jetzt war sie ganz wach. Johann drehte sich wieder auf den Rücken und atmete tief durch. Leise fing es wieder an: pfpfpfpf ... Sie hatte ihn vorher noch nie schnarchen hören. Das war es ja. Sie schliefen eben nicht jede Nacht in einem Bett. Wer weiß, vielleicht würde er immer schnarchen, wenn sie zusammenleben würden, jede Nacht, erst ein  bisschen, dann immer mehr, und irgendwann würde sie es hassen und ...
    Entschlossen stand sie auf und zog sich leise eine Jeans und einen Pulli an. Bliebe sie jetzt liegen, käme ein unsinniger Gedanke nach dem anderen. Stattdessen wollte sie sich einen Tee kochen, sich ins Gartenhaus setzen und auf den Sonnenaufgang warten. Lange konnte das nicht mehr dauern.
    Im Haus war es ruhig, als Christine mit dem Teebecher in der Hand leise die Tür ins Schloss fallen ließ. Die ersten Vogel zwitscherten, der Himmel wurde schon heller, sie setzte sich in den Strandkorb vor das Gartenhaus und umfasste den dampfenden Teebecher mit beiden Händen.
    Johann hatte auf dem Höhenweg vom Roten Kliff nicht viel gesprochen. Sie waren an der Uwe-Düne vorbeigelaufen, Johann wollte unbedingt auf die Aussichtsplattform. Also waren sie, immer noch schweigend, die gefühlten 50000 Holzstufen hochgestiegen, um zehn Minuten lang über Kampen zu starren. Christine hatte ihm das schönste Haus am schönsten Platz gezeigt: das »Kliffende«. Johann war beeindruckt gewesen und hatte ihre Hand in seiner gehalten.
    In der »Sturmhaube« bekamen sie einen Platz auf der Terrasse und bestellten Weißwein, Wasser und die Karte. Das gab wieder einen Aufschub. Aber nachdem die Getränke gekommen und das Essen bestellt war, lehnte sich Johann zurück.
    »Und nun möchte ich gern, dass du mir erzählst, was dich eigentlich im Moment alles so umtreibt. Und rede jetzt nicht von deiner Tante Inge oder deinem Vater. Also?«
    Christine hatte Johann schon mehrere Male von den Schwierigkeiten im Verlag berichtet, schließlich sahen sie sich jedes Wochenende und telefonierten fast jeden Tag. Ihr Problem war nur, dass Johann ebenfalls Betriebswirt war, so wie ihr Chef, und auch er gerade eine Firma umstrukturierte und ihr alle Argumente nannte, die sie sich schon jeden Tag von ihrem eigenen Arbeitgeber anhören musste. Dabei wollte sie  eigentlich nur bemitleidet werden und den alten Zeiten nachtrauern. Trotzdem begann sie jetzt, die Atmosphäre im Verlag zu schildern, zählte die Veränderungen auf, lästerte über ihren überheblichen Chef und seine Umstrukturierungen, beschwerte sich über die eingeführten Neuerungen und musste nach einem zehnminütigen Monolog erschöpft erst mal einen großen Schluck Wein trinken.
    »Der Verlag hätte in der alten Form gar nicht überleben können« -Johann zerkrümelte sein Brot, während er redete, Christine wartete darauf, dass er dieselben Schlagworte benutzte wie ihr momentaner Lieblingsfeind - »gerade in Zeiten, in denen das Internet immer wichtiger wird und wir diese Konsumflaute haben.«
    Bingo. Sie konnte es nicht mehr hören. »Das mag ja alles sein, es macht nur wirklich überhaupt keinen Spaß, mit Leuten zusammenzuarbeiten, denen sowohl der Sinn für Bücher als auch für Mitarbeiter fehlt.«
    »Dann mach was anderes.«
    »Tolle Idee. Ich bin 46, da wartet die ganze Welt auf mich. Zumal ich

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