Tante Inge haut ab
Renate hielt ihr leeres Glas in die Mitte, damit es einer der Herren auffüllte. Doch nur Kalli reagierte, Walter und Heinz hingen an ihren Lippen. »Wir haben über alles Mögliche geredet. Über unsere Ehen, ich war fast dreißig Jahre mit einem Zahnarzt verheiratet, bevor ... ich ihn verlassen habe, über Kosmetik, Reisen, Schuhe, eben über alles, was man sich so unter Frauen erzählt. Wieso?«
»Auch über Männer?« Walter sah sie gespannt an. »So ganz allgemein?«
»Und im Besonderen.« Jetzt kicherte sie. »Werner, das ist mein Exmann, hätten bestimmt die Ohren geklingelt, so haben wir über ihn hergezogen. Das ist aber auch ein ... na, egal. Walter, Sie sind ja auf einmal ganz blass.«
»Weil mein Bier leer ist.« Walter wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Kalli, ich komme hier so schlecht raus, kannst du mal...?«
»Ja, klar!« Kalli stand sofort auf. »Ich gehe dir eins holen.«
Renate folgte ihm mit aufmerksamen Blicken. »Ein reizender Herr. Und so hilfsbereit.«
»Er hat eben auch Durst.« Heinz schenkte Renate nach. »Man merkt, dass Sie viel Lebenserfahrung und Herzenswärme haben.« Walter hob seine Augenbrauen und starrte seinen Schwager entgeistert an, der ungerührt weitersprach: »Sie verstehen
doch Frauen in Krisensituationen. Also, das ist zumindest mein Eindruck. Ich kann mich natürlich auch täuschen
»Nein«, Renate beugte sich vor und legte Heinz ihre Hand aufs Knie, »Sie haben das völlig richtig erkannt. Sprechen Sie weiter.«
»Also, ich rede jetzt einfach ganz ungeschminkt: Meine Schwester steckt in einer Lebenskrise ...«
Renate nickte bedeutsam. Heinz schaute Walter an, der ebenfalls nickte.
»Und wir können uns einfach nicht erklären, warum das so ist. Sie hatte es so gut...«
Renate schürzte die Lippen. »Na, na ...«, sagte sie süffisant.
Walter harte gute Ohren. »Was denn? Hat sie was Schlechtes über mich erzählt? Alles, was ich mache, mache ich schon seit vierzig Jahren. Und sie fand es immer gut.«
Sein Dackelblick erfüllte bei Renate den Zweck. Beruhigend legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Frauen in ... äh ... verzweifelten Situationen übertreiben ja oft. Und meistens steckt etwas ganz anderes dahinter.«
»Genau!« Heinz deutete mit dem Finger auf sie. »Und genau das müssen wir herausfinden. Renate, Sie sind unsere letzte Hoffnung. Und ich ...«
In diesem Moment kam Kalli zurück und stellte mit Schwung zwei Pils auf den Tisch. »Heinz, du musst ja fahren, deshalb habe ich nur für Walter und mich ein Bier mitgebracht. Und? (übt es was Neues?«
»Neu ist, dass man beim Trinken nur noch an sich denkt«, antwortete Heinz beleidigt. »Du hättest ja auch zurückfahren können.«
Renate drehte sich zu Kalli um. »Sind Sie eigentlich verheiratet?«
Er verschluckte sich, musste husten und antwortete: »Ja, natürlich. Meine Frau hat mich nicht verlassen.« Sie sah ihn ein wenig bedauernd an. Dann konzentrierte sie sich wieder auf das Thema. »Ihr Instinkt ist richtig, Heinz«, sagte sie mit einem Seitenblick auf Walter, »auch wenn es wehtut. Ich bin natürlich hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu meiner Freundin und meinem Gefühl für Anstand, Ehre und Wahrheit.« Sie warf Walter noch einen tiefen Blick zu, dann lächelte sie Heinz und schließlich Kalli an. »Ich habe mir natürlich meine Gedanken gemacht und Inge gut zugehört. Es ist ja nicht so, dass sie mir alles im Detail erzählt hat, aber ich kann das Ungesagte durchaus deuten. Man macht mir nichts vor.«
Bedeutungsvoll blickte sie in die Runde. Dann warf sie schwungvoll ihr Haar zurück, dass Walter eine Strähne ins Gesicht bekam und sein Kopf zurückzuckte. » Es gibt da einen neuen Mann«, erklärte sie geheimnisvoll, »und ich habe natürlich herausgefunden, um wen es sich dabei handelt.« Die Männer hingen an ihren Lippen, was sie sichtlich genoss.
Heinz fand als Erster die Sprache wieder. »Ja? Und? Wer ist es?«
»Er ist gutaussehend, charmant, klug, wohlhabend und kommt von der Insel.«
»Das trifft auf über fünfhundert Männer zu«, antwortete Walter, »wenn man von der Sache mit der Insel absieht, sogar auf mich.« Er kicherte und fuhr sich durchs Haar.
Sein Schwager sah ihn streng an. »Walter, jetzt nimm dich zusammen. Für mich ist es auch hart. Los, Renate, nennen Sie uns seinen Namen.«
Ihr Tonfall war triumphierend. »Er heißt Mark Kampmann.«
Ratloses Schweigen. Dann sagte Kalli: »Nie gehört.«
»Kampmann?« Enttäuscht lehnte Heinz
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