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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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bei der für den fünften Monat vorgesehenen Ultraschalluntersuchung meine Hand zu halten. Mickey hatte den Termin sausenlassen. Alles war in bester Ordnung, meine Tochter wuchs und gedieh, und Charlotte sagte, sie sehe vollkommen normal aus. Doch noch während ich mich darüber freute, beschlich mich die Panik. Sämtliche Gründe dafür, dass Mickey und ich niemals Kinder hatten haben wollen, flogen mir um die Ohren. Ich schämte mich all der schlimmen Dinge, die ich meiner Tochter womöglich vererbt hatte, und stellte mir Priscillas irrationale Wut auf unsere Mutter gegen mich gerichtet vor. Und japste nach Luft.
    Charlotte legte einen Arm um mich und besänftigte meine unausgesprochenen Sorgen. »Eine kleine dunkelhaarige, dunkeläugige Tochter. Das hast du doch gesagt, nicht wahr?«
    Ich kämpfte mit den Tränen und sagte: »Sie wird sein wie ich, aber aussehen wie Mickey.« Ich tastete wieder nach Lilys Hand. »Aber was, wenn sie krank wird?«, krächzte ich.
    Charlotte schüttelte den Kopf.
    »Dass ihre Mutter krank war, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch erkranken wird«, sagte Lily.
    »Du hast leicht reden, Lil.«
    »Keineswegs. Aber in meinem Fall stimmt es doch. Daran musst du dich festhalten, Lu.«
    Lilys schönes Gesicht verschwamm hinter meinen Tränen. Sie hatte recht. Lily war vollkommen gesund … Gott sei Dank. Und Priss ebenfalls, abgesehen von dem bösen Schrecken vor vielen Jahren. Lily küsste mich auf die Stirn, und wir drei genossen ein paar ganz normale Augenblicke voller Freudentränen.
    Eigentlich war ich sogar froh, dass Mickey nicht gekommen war. Wenn er mir diese Zweifel angesehen hätte, hätte er sich darauf gestürzt und mich damit fertiggemacht. Als ich ihm später am Abend erzählte, dass mit seiner Tochter alles in Ordnung sei, konnte ich meine Ängste vor ihm verbergen. Das war nicht weiter schwer – er war zu sehr mit Schmollen beschäftigt, um zwischen den Zeilen zu lesen.
    Frustriert ging ich ins Bett. Aber irgendwann nach Mitternacht wurde ich vom Geräusch eines Basketballs auf der Terrasse geweckt. Als ich aus dem Fenster schaute, schien der Vollmond auf Mickey und Harry hinab, die ein bisschen eins gegen eins spielten.
Gott segne dich, Harrison Bates,
dachte ich. Später sah ich noch einmal nach ihnen, und da saßen die beiden am Gartentisch, die Füße auf der Bank, und unterhielten sich.
    Ich weiß nicht, was Harry meinem unbeständigen Ehemann sagte. Ich weiß nur, dass er gezaubert haben muss, denn als Mickey schließlich ins Bett kam, nahm er mich in die Arme. »Ich war ein Idiot, mein Schatz«, flüsterte er.
    »Ach, tatsächlich?«
    »Tatsächlich. Und es tut mir leid. Ich werde es ab sofort besser machen.«
    Einer Entschuldigung kann ich nie widerstehen, schon gar nicht, wenn sie von Mickey kommt. Ich drehte mich herum und belohnte seine Reue mit einem langen, zärtlichen Kuss. Der Versöhnungssex danach war ziemlich gut – unter den gegebenen Umständen –, und als ich einschlief, spielte Mickey immer noch mit meinem Haar.
     
    Leider war dieser Waffenstillstand nur von kurzer Dauer. Bald schlief Mickey zusehends weniger und kam oft gar nicht mehr ins Bett. Eines Morgens hörte ich die Dusche rauschen, und ehe ich auch nur aufgestanden war, hatte sich Mickey schon abgetrocknet und angezogen. Ich ging ins Bad und sah, wie er sich mit einer Hand das nasse Haar zurückkämmte, während er sich mit der anderen die Zähne putzte. Als er sich den Mund spülte und ausspuckte, sah er mich mit streitlustigem Blick an. Ich ging nicht darauf ein, also betrachtete er prüfend seine Zähne im Spiegel, gurgelte, spuckte noch einmal aus und drückte mir dann einen kalten Kuss auf die Nase – alles innerhalb von dreißig Sekunden. »Ich bin spät dran, Lu!«, rief er über die Schulter. »Ich habe unten eine ziemliche Unordnung hinterlassen, aber ich kümmere mich später darum.« Dann steckte er den Kopf noch einmal durch die offene Badezimmertür, um in scharfem Ton zu sagen: »Und flipp nicht gleich aus, es ist nichts.«
    Ich bekam ein flaues Gefühl bei diesen Worten und fragte mich, was er die ganze Nacht lang gemacht hatte. Doch ehe ich etwas erwidern konnte, war Mickey verschwunden. Er raste, immer zwei Stufen auf einmal, die Treppe hinunter und war schon zur Tür hinaus, bevor ich die Treppe erreichte. Er schlief immer weniger und arbeitete mehr denn je. Jedenfalls war er ständig in einem seiner Clubs. Es überraschte mich auch nicht, dass Mickey immer

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