Tanz auf Glas
spielen.«
Ich war nicht schüchtern und schon unterwegs, während er noch sprach. Auf dem Weg zur Bühne kam ich an Priscilla vorbei. Sie schaute ein wenig pikiert drein, aber daran konnte ich wirklich nichts ändern. Auf der Bühne lächelte Mickey wieder das strahlende Lächeln von vorhin, und da meine Schwester mir jetzt nicht mehr in der Sonne stand, aalte ich mich darin. Meine beiden Schwestern sind schön und blond, aber ich habe das schönste Haar – kräftig, rötlich braun und von unserem Vater geerbt. An diesem Abend trug ich es offen, und Mickey streckte die Hand aus, fuhr mit den Fingern hinein und betrachtete es ganz aus der Nähe. Er roch himmlisch.
»Warum bist du nicht blond wie deine Schwestern?«, fragte er abseits des Mikros und rieb mein Haar zwischen den Fingern. Dann riss er sich zusammen und ließ die Strähne los. »Also, äh, Lucy … einundzwanzig. Was unternehmen flotte, junge Dinger denn so, wenn sie sich amüsieren wollen?«
»Nun, Mr Chandler, ich nehme stark an, dass wir dasselbe tun wie lahme, alte Kerle.«
»Ha, das war aber ein
lahmer
Witz«, sagte er übertrieben beleidigt. »Und das auf meiner Bühne. Aber ich will noch mal großzügig sein, weil du so ein heißes kleines Geburtstagskind bist.«
»Oh, vielen Dank. Du bist auch nicht übel.« Ich hob die Hand und tätschelte seine solide, breite Brust, und dabei veränderte sich etwas in seinen Augen. Diesen Blick hätte ich für kein Geld der Welt eingetauscht.
Er fasste sich rasch. »Sind Studentinnen nicht was Tolles? Was sagt ihr, Jungs, hab ich nicht recht? Schöne junge Frauen – aber man muss sie im richtigen Moment erwischen. Ihr wisst schon, voll erblüht, aber gerade noch naiv genug, um uns eine Chance zu geben. Wenn sie erst anfangen, ernsthaft über ihre Zukunft nachzudenken, könnt ihr es vergessen. Dann ist die Sache für Männer wie uns gelaufen. Richtig, Lucy?«
»Sprichst du von mir persönlich?«
Mickey blickte sich um. »Ich sehe sonst niemanden hier oben.« Dann ergriff er wieder eine Handvoll von meinem Haar. »Habe ich es wirklich nicht mit einer Blondine zu tun? Ja, natürlich spreche ich von dir«, sagte er. Jetzt stand er ganz dicht vor mir.
»Also, ich bin ziemlich sicher, dass
du
bei mir Chancen hättest.«
Wieder war er kurzzeitig perplex, und nun feuerten meine Freundinnen ihn an. Ich grinste.
»Das ist nur Mitleid, oder?«, fragte er. »Du bist eine erstklassige Schülerin, und dir tut der arme Kerl leid, der die Highschool mit magna cum garnix abgeschlossen hat und als Comedian in einem Provinzclub gelandet ist.«
»Machst du Witze?«, rief ich. »Ein Comedian mit
Schulabschluss?
Ich bin hingerissen!«
Seine lachenden Augen hielten meinen Blick fest, während er überlegte, wie er weitermachen sollte. Schließlich sagte er: »Also schön! Worauf warten wir noch?«
Mickey Chandler zog mich an sich und machte eine große Show daraus, dass er jetzt der kleinen Studentin einen Geburtstagskuss geben würde. Ich glaube, das sollte ein harmloses Küsschen auf die Wange werden, aber ich ging aufs Ganze – immerhin war es mein Geburtstag –, und der Fairness halber sei gesagt, dass er mitzog. Irgendetwas an der Art, wie unsere Zungen umeinandertanzten und unsere Zähne leicht zusammenstießen, kam mir beinahe vertraut vor. Der Kuss war himmlisch, und ich hatte nicht vor, ihn so schnell abzubrechen.
Als wir uns schließlich voneinander lösten, war ich atemlos und ein wenig verlegen. Mickey war erneut die Maske heruntergerutscht, und er sah aus, als könnte er nicht glauben, was eben passiert war. Ich lachte und stolperte zum Gesang der Gäste von der Bühne, die ein grölendes »Happy Birthday« angestimmt hatten. Für die anderen war das einfach nur ein Spaß gewesen. Na ja, Priss schaute ein bisschen verärgert drein. Aber ich bereute nichts. Das war mein Abend und Mickeys Auftritt. Er sah immer wieder zu mir herüber und gab sich nonchalant, und das freute mich. Auf dem Weg zur Bar fing Priss mich ab. »Was war denn das?«
»Nichts. Gar nichts, nur ein bisschen Spaß.«
»Es sah aber nach mehr aus«, erwiderte sie verstimmt.
Lachend schaute ich zur Bühne zurück, von wo aus Mickey Chandler immer noch zu mir starrte, während er eine ulkige Geschichte über zwei Hunde und einen Geldautomaten erzählte. Ich versuchte, uns mit seinen Augen zu sehen. Die große, umwerfende, blonde Priscilla, deren Top fast überquoll vor künstlicher Fülle, riss die Klappe auf gegenüber ihrer
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