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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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versammelt, als das Ergebnis vom Labor kam. Lily und ich hielten jede eine Hand von Priss. Zum Glück waren die Neuigkeiten nicht allzu schlimm. Der Knoten war bösartig, aber vollständig abgekapselt, so dass er komplett entfernt werden konnte – praktisch schon ein Grund zum Feiern. Aber noch nicht ganz. Die Umgebung des Tumors musste gründlich auf veränderte Zellen abgesucht werden. Falls dort welche gefunden wurden, wäre das ein neuer Anlass zur Sorge. Also wurde Priss operiert, und wir warteten wieder. Lily und ich hielten einen endlosen Tag lang Händchen.
    »Ich könnte es nicht mit ansehen, wenn sie das durchmachen müsste«, sagte Lily mehr als einmal.
    »Sie ist zu stur, um sich davon umbringen zu lassen«, entgegnete ich.
    Spät am Abend erhielten wir endlich die Nachricht, dass die untersuchten Zellen aus der Umgebung des Tumors alle sauber waren. Wir schmolzen beinahe vor Erleichterung, vor allem Lily. Ron brachte sie gegen elf Uhr nach Hause, aber ich blieb, weil Priscilla einfach nicht zur Ruhe kam.
    Kurz vor Mitternacht konnte sie endlich einschlafen – dank eines starken Beruhigungsmittels. Ich brauchte eine Pause, also ging ich hinunter in die Cafeteria, um etwas zu trinken. Der Raum war spärlich beleuchtet und still. Die meisten Stühle standen schon auf den Tischen, damit der Boden gewischt werden konnte. Nur ein kleiner Mann wartete hinter dem großen Tresen. Ich bestellte eine Portion Pommes und eine Cola, und er sagte, er werde sie mir bringen. Ich sah mich in dem großen, leeren Raum nach einem Sitzplatz um und stellte fest, dass ich allein war, bis auf zwei Ärzte in einer Ecke und einen Mann, der allein dasaß.
    Ich erkannte die silbrige Strähne in seinem Haar auf der Stelle und begegnete gleich darauf Mickey Chandlers Blick. Als er nicht wegschaute, ging ich zu ihm hinüber und sagte: »Hallo, Komiker. Erinnerst du dich an mich?«
    Er starrte mich an, als sähe er Gespenster. »Das Geburtstagskind.«
    »Ja.«
    »Wie geht’s?«
    »War ein langer Tag, aber mir geht’s gut. Und dir?«
    »Geradezu famos.«
    »Famos?«, wiederholte ich. »Das Wort habe ich noch nie jemanden sagen hören. Du bist wirklich ziemlich alt, oder?«
    In dieser Nacht hatte Mickey keine witzige Bemerkung parat. Sein Grinsen war erloschen, und sein Blick wirkte irgendwie gequält.
    Ich räusperte mich. »Tja, also, hat mich gefreut, dich wiederzusehen.«
    Der Kellner war mit den Pommes auf dem Weg zu mir. Mickey rückte mit dem Fuß einen Stuhl vom Tisch ab. »Möchtest du dich setzen?«
    »Bist du sicher? Ich will dich nicht beim Grübeln stören.«
    Diesmal gluckste er immerhin. »Ja, an dich erinnere ich mich gut. Frech bis zum bitteren Ende.«
    Ich setzte mich, und der kleine Kellner stellte den riesigen Teller Pommes frites zwischen uns auf den Tisch. »Hat da jemand Hunger?«, zog Mickey mich auf.
    »Die habe ich für dich bestellt.«
    Wir machten eine Weile Smalltalk über die Uni, das Wetter in Boston, mein Studium.
    Dann fragte er: »Was führt dich mitten in der Nacht hierher?«
    »Meine Schwester ist heute operiert worden. Du erinnerst dich bestimmt an Priscilla. Sie hätte dich fast zum Abendessen vernascht.«
    »Ach,
die
Schwester. Hat sie es gut überstanden?«
    »Ja, Gott sei Dank. Wir sind alle sehr erleichtert. Ein bösartiger Tumor, aber sie haben alles erwischt.«
    »Na, das sind doch gute Neuigkeiten.«
    Ich nickte. »Ja, sehr gut. Und Sie, Mr Chandler, was tun Sie hier mitten in der Nacht?«
    Er blickte sich um und wandte sich dann wieder mir zu. »Sieht ganz so aus, als säße ich hier mit einer hübschen kleinen Studentin herum.«
    »He, nicht schummeln. Was machst du wirklich hier?«
    »Tja, merkwürdige Sache. Ich kam gerade zufällig hier vorbei, und da dachte ich mir: Ich wette, in der Krankenhaus-Cafeteria bekomme ich einen guten Tisch, obwohl ich nicht reserviert habe.« Ein ärmlicher Witz, und das wusste er auch. Ich wartete auf die echte Antwort auf meine Frage, aber es kam keine.
    Ich räusperte mich. »Wohnst du hier in der Nähe?«
    »Drüben in East Haddam. Ich habe ein Haus am See. Und du?«
    »Ich wohne in Brinley. Na ja, zurzeit eigentlich nicht. Ich werde noch ein Jahr in Boston bleiben, aber sobald ich meinen Abschluss habe, ziehe ich hierher zurück. Und, hast du eine Frau, die mit dir in dem Haus am See wohnt?«
    »Nein.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    Ich lächelte, und nach diesem Tag fühlte sich das richtig gut an. »Erzähl mir von deinem Haus.«
    »Es ist uralt.

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