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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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ersten Mal, seit ich die Todesfee vor so vielen Jahren kennengelernt hatte, das deutliche Gefühl, dass sie schon unterwegs war. Dieses Wissen sank auf mich herab wie kalte Nachtluft auf einen Garten. Und je länger ich dort stand, desto stärker wurde das Gefühl. Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht, auf dem der kalte Schweiß stand, und schalt mich paranoid.
    Dann machte ich das Licht aus, ging ins Bett und rieb meinen geschwollenen Bauch. Ich hatte mir das nur eingebildet. Ganz bestimmt. Trotzdem rannen mir ungebeten warme Tränen über die Schläfen und tropften in mein Haar. Ich musste all meine Kraft aufwenden, um die Vorahnung niederzudrücken und mich darüber hinwegzuhieven. Schließlich schlief ich in einer viel sanfteren Welt ein, die duftete wie ein Baby nach dem Bad. Einer Welt, die untermalt war vom Kichern eines kleinen Mädchens wie von zarter Hintergrundmusik.

[home]
    15
    5 . August 2011 , 8  Uhr
    L amictal wird bei manchen Patienten eingesetzt, um die stabile Zeit zwischen bipolaren Episoden zu verlängern, und ich bin froh, dass das anscheinend funktioniert. Aber ich habe immer noch das Gefühl, ein bisschen zu schwanken, und in den letzten Nächten habe ich weniger Schlaf gebraucht. Das werde ich im Auge behalten müssen. Gestern bin ich um kurz nach zwei auf dem Sofa eingeschlafen, und um fünf stand ich schon wieder unter der Dusche. Aber ich habe mich gut gefühlt, konzentriert, in der Spur, meine Gedanken waren hübsch ordentlich sortiert, ohne irgendwelche Ideen, die zu weit nach vorn oder aus der Reihe hüpften, und das war gut. Lucy hat noch geschlafen, und ich war bereit für den Tag, aber weil es noch zu früh war, um an die Arbeit zu gehen, habe ich mich mit dem Laptop und den Zeitungen hingesetzt, die ich seit einer Weile aufhebe. Ein paar Dinge helfen mir, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, und dazu gehört auch, meine Investitionen zu beobachten. Ich verfolge gern den Aktienmarkt, den Dow Jones, den
NASDAQ
. Ich zeichne gern die Aktivität auf, schöne gerade Linien, die Zahlen darstellen, auf einem leeren Blatt Millimeterpapier. Für mich stellt das Ordnung im ökonomischen Wirrwarr dar. Lucy macht sich immer Sorgen, wenn ich damit anfange, aber das ist nur eine meiner Interessen und nicht unbedingt das Anzeichen, für das sie es hält.
     
    Als ich aufwachte, stellte ich fest, dass Mickey schon geduscht hatte und nach unten gegangen war, und ich fragte mich, wann er nach Hause gekommen sein mochte. Grundsätzlich ist früh aufstehen nichts Schlechtes, aber bei Mickey ist ein verringertes Schlafbedürfnis ein ziemlich starkes Alarmsignal. Ich schlug die Bettdecke zurück und rieb mir die Augen. Im Bad spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und schob Gedanken an unheimliche Besucher beiseite. Ich musste mich um dringendere Dinge kümmern als das, was vielleicht, vielleicht aber auch nicht, gestern Nacht in diesem Badezimmer passiert war. Unter anderem war mir furchtbar übel.
    Da ich nichts im Magen hatte, kam auch nichts heraus, als ich über der Toilettenschüssel würgte. Dann putzte ich mir die Zähne und ging nach unten. Mickey saß in der Küche, die Zeitung vor sich ausgebreitet, und in dem kleinen Fernseher auf der Küchentheke lief leise ein Nachrichtensender. Ich küsste ihn auf den Kopf, und er blickte etwas verlegen zu mir auf. »Ich bin früh aufgestanden.«
    »Ich weiß.«
    Er erhob sich und stieß dabei einen roten Stift zu Boden. »Lucy, du siehst nicht gut aus.«
    Ich griff nach einer Schachtel Cracker und nahm mir eine Handvoll. »Es geht gleich wieder.«
    Mickey schlang die Arme um mich, und am liebsten wäre ich in diese Umarmung gekrochen und nie wieder herausgekommen.
    »Geht es dir gut, Lu?«
    »Auf diese morgendliche Übelkeit könnte ich gern verzichten, aber ansonsten …«
    Mickey hielt mich auf Armeslänge von sich fort und musterte mich. »Lucy, ich möchte mich für gestern Abend entschuldigen. Ich war wütend auf den Barkeeper und habe es an dir ausgelassen.«
    »Hast du das?«
    »Dachte ich jedenfalls. Und ich dachte, du wärest deswegen böse auf mich. Oder ist es das hier? Ärgert dich das?«, fragte er und wies auf die ausgebreiteten Requisiten: Millimeterpapier, ein roter Markierstift und ein großer Stapel Zeitungen. »Nichts, weshalb du dir Sorgen machen müsstest, Lu, ich war nur neugierig«, behauptete er. »Ich habe schon seit einer Weile nicht mehr nach den Werten geschaut.«
    Nickend trat ich zurück und stellte den

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