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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ben, als sie dort in demselben Bett lag; und wer weiß, was da vorher schon alles passiert ist?
    Gifford hatte es als beklagenswerte Entscheidung empfunden, daß Michael wieder in dieses verfluchte Zimmer gezogen war. Aber Mona verstand es. Warum sollte er im Brautzimmer ble i ben, nachdem Rowan ihn verlassen hatte? Außerdem war es das hübscheste und schickste Zimmer im Haus, das große nördliche Schlafzimmer. Er selbst hatte die Stuckdecke resta u riert. Er hatte das riesige Himmelbett mit dem Halbbaldachin poliert.
    Oh, sie verstand Michael. Michael mochte die Dunkelheit auf seine Weise ebenfalls. Wieso hätte er sonst in diese Familie einheiraten sollen? dachte sie. Irgend etwas in ihm ließ sich von der Dunkelheit verführen. Er fühlte sich wohl im Zwielicht und im Dunkeln, genau wie sie. Das hatte sie gewußt, als sie ihn im nächtlichen Garten hatte Spazieren gehen sehen. Das war etwas für ihn. Wenn er den frühen Morgen überhaupt au s stehen konnte, was sie bezweifelte, dann nur, weil das Licht dann trüb war und alles verzerrte.
    »Er ist einfach zu gut.« Wieder kamen ihr Onkel Juliens Worte in den Sinn. Nun, das werden wir ja sehen.
    Sie schlich sich zum Türrahmen und sah das winzige Nachtlicht, das drüben an der Wand gegenüber in der Steckdose saß. Das Licht der Straßenlaternen schimmerte sanft durch die Spitzengardinen, und da lag Michael, das Gesicht abg e wandt, in seinem makellos weißen Baumwollpyjama, den He n ri so sorgfältig gebügelt hatte, daß ein präziser Knick am Ärmel entlanglief. Michaels Hand lag halb geöffnet auf dem Oberbett, als wolle er ein Geschenk entgegennehmen. Sie hörte, wie er tief Luft holte, rauh und unruhig.
    Aber er hatte sie nicht gehört. Er träumte. Er drehte sich auf die Seite, weg von ihr, und versank tiefer in einen murmelnden Schlaf.
    Sie schlüpfte ins Zimmer.
    Sein Tagebuch lag auf dem Nachttisch.
    Sie erkannte es am Einband; sie hatte erst heute abend gesehen, wie er etwas hineingeschrieben hatte. Oh, es wäre unverzeihlich, da hineinzuschauen. Das durfte sie nicht, aber wie gern hätte sie nur ein paar Worte gelesen.
    Und wenn sie nur einen ganz kurzen Blick riskierte?
    Komm nach Hause, Rowan. Ich warte auf dich.
    Mit einem lautlosen Seufzer klappte sie es wieder zu.
    Sieh dir bloß die ganzen Tablettenröhrchen an. Sie bombardierten ihn mit dem Zeug. Die meisten Namen kannte sie, weil es verbreitete Medikamente waren, und andere alte Mayfairs hatten sie oft genug genommen. Blutdruckmittel größtenteils, und Lasix, dieses bösartige Diureticum, das seinem Körper wahrscheinlich das ganze Kalium entzog, und noch drei andere, gefährlich klingende Arzneien, die vermutlich der Grund dafür waren, weshalb er dauernd so aussah, als bemühe er sich, endlich aufzuwachen.
    Ich sollte dir einen großen Gefallen tun und diesen ganzen Dreck für dich in den Müll schmeißen, dachte sie. Was du brauchst, ist ein Mayfairscher Hexentrank. Wenn sie nach Hause käme, würde sie alle diese Medikamente in einem der großen pharmazeutischen Lexika nachschlagen, die sie in ihrer Bibliothek stehen hatte. Ach, sieh an, Xanax. Damit kon n te man jeden in einen Zombie verwandeln. Wieso bekam er das viermal täglich? Ihrer Mutter hatten sie das Xanax wegg e nommen, weil Alicia es handvollweise zu Wein und Bier g e nommen hatte.
    Hmmm, es fühlte sich wirklich an wie ein Unglückszimmer. Die feinen Verzierungen über den Fenstern und der Kronleuchter gefielen ihr, aber es war ein Unglückszimmer. Und dieser G e ruch war hier auch.
    Sehr schwach, aber er war da, dieser köstliche Geruch, der Geruch, der nicht ins Haus gehörte und der etwas mit Weihnachten zu tun hatte.
    Sie trat dicht ans Bett. Er stand unter Drogen, jawohl. War völlig hinüber.
    Wahrscheinlich hatte er deswegen die Gabe in seinen Händen verloren. Bis Weihnachten hatte er die meiste Zeit Handschuhe getragen und allen Leuten erzählt, er habe sehr empfindliche Hände. Oh, Mona hatte sich heftig bemüht, ihn dazu zu bringen, daß er mit ihr darüber redete! Und heute abend hatte er ein paarmal bemerkt, daß er die Handschuhe jetzt nicht mehr brauche. Natürlich nicht, wenn du alle vier Stunden zwei Milligramm Xanax nimmst, zusätzlich zu all diesem and e ren Scheiß! So hatten sie auch Deirdres Fähigkeiten ausg e schaltet – mit Drogen.
    Und was war in diesem niedlichen kleinen Fläschchen? Elavil? Das war doch auch ein Sedativum, oder? Und, wow, was für eine Dosis. Ein Wunder, daß Michael heute abend

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