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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Das Mädchen drehte sich um und starrte staunend zurück zu dem Haus und dem Fenster dort oben und der Gruppe der Menschen auf der Veranda.
    Wir waren noch keine zwei Schritte weit gefahren, als sie alle zu schreien anfingen: »Mörder, Mörder! Er hat Evelyn geraubt!« Sie forderten einander brüllend auf, doch etwas zu unternehmen. Der junge Ragnar kam herausgerannt und blökte, er werde gerichtlich gegen mich vorgehen.
    »Das tu nur!« rief ich über das Gerumpel des Wagens zurück. »Klage nur! Ich kann’s kaum erwarten.«
    Der Wagen rollte schwerfällig und lärmend die St. Charles Avenue hinauf, schneller allerdings als jede Pferdekutsche. Und das Mädchen saß still zwischen Richard und mir, von Stella mit Neugier gemustert, und sie starrte alles an, als wäre sie noch nie im Leben draußen gewesen.
    Mary Beth erwartete uns auf der Treppe.
    »Und was gedenkst du nun mit ihr anzufangen?«
    »Richard«, sagte ich, »ich kann keinen Schritt mehr gehen.«
    »Ich hole die Jungen, Julien«, rief er, und gleich lief er davon und klatschte in die Hände. Stella und das Mädchen kletterten vom Wagen, und Stella hob mir die Hände entgegen.
    »Ich halte dich, mein Liebster. Ich lasse dich nicht fallen, mein Held.«
    Das Mädchen stand da und stemmte die Hände in die Seiten; sie starrte erst mich an, dann Mary Beth und dann das Haus und die dienstbaren Jungen, die herbeigerannt kamen.
    »Was gedenkst du mit ihr anzufangen?« wiederholte Mary Beth.
    »Kind, willst du in unser Haus kommen?« Ich schaute dieses gertenschlanke, hübsche Mädchen an; ihr blasser, muschelrosa zarter kleiner Mund war wegen der hohlen Wangen wunderschön vorgewölbt, und ihre Augen hatten die Farbe des grauen Himmels bei stürmischem Regenwetter.
    »Willst du in unser Haus kommen«, fragte ich noch einmal, »und dort unter unserem sicheren Dach entscheiden, ob du dein Leben als Gefangene beenden möchtest oder nicht? Stella, sollte ich auf dem Weg nach oben sterben, gebe ich dir den Auftrag, dieses Mädchen zu retten. Hörst du?«
    »Du wirst nicht sterben«, sagte Richard, mein Liebhaber. »Komm, ich helfe dir.« Aber ich sah die Angst in seinem Gesicht. Er machte sich mehr Sorgen um mich als irgend jemand sonst. Stella ging voraus. Das Mädchen folgte, und dann kam Richard, der mich in seiner überschwenglich männlichen Art beinahe trug; er hatte den Arm um mich geschlungen und wuchtete mich Stufe für Stufe die Treppe hoch, damit ich die Würde wahrte, die ich noch besaß.
    Endlich betraten wir mein Zimmer im zweiten Stock des Hauses.
    »Gebt dem Mädchen etwas zu essen«, sagte ich. »Sie sieht aus, als ob sie noch nie eine anständige Mahlzeit bekommen hätte.« Ich schickte Stella mit Richard hinaus und kippte auf mein Bett, so erschöpft, daß ich einen Augenblick lang an gar nichts mehr denken konnte.
    Dann blickte ich auf, und meine Seele füllte sich mit Verzweiflung. Dieses wunderschöne, frische Geschöpf an der Schwelle des Lebens, und ich war so alt, stand so dicht vor dem Ende. Ich war so müde, daß ich vielleicht Ja zum Tod hätte sagen können, wenn dieses Mädchen, wenn ihr Fall nicht meine Anwesenheit noch eine Weile erfordert hätte.
    »Kannst du mich verstehen?« fragte ich. »Weißt du, wer ich bin?«
    »Ja, Julien«, sagte sie mühelos genug in gewöhnlichem Englisch. »Ich weiß alles über dich. Das hier ist deine Dachkammer, nicht wahr?« sagte sie mit ihrer feinen, hohen Stimme. Sie schaute sich um und betrachtete die Dachbalken, die Bücher, den Kamin und den Sessel, alle meine Kostbarkeiten, mein Victrola und die Stapel meiner Lieder, und dann schenkte sie mir ein zartes, vertrauensvolles Lächeln.
    »Du lieber Gott«, flüsterte ich. »Was fange ich jetzt mit dir an?«

 
21

    Die Menschen, die in diesem hellen kleinen Haus lebten, waren braun. Sie hatten schwarzes Haar und schwarze Augen, und ihre Haut schimmerte im Licht der Lampe über dem Tisch. Sie waren klein, und sie trugen Kleider in sehr leuchtendem Rot und Blau und Weiß, Kleider, die sich stramm um ihre wohlgerundeten Arme spannten. Als die Frau Emaleth erblickte, stand sie auf und kam zu der durchsichtigen Tür.
    »Du lieber Himmel, Kind! Komm herein.« Sie blickte zu Emaleth auf und schaute ihr in die Augen. »Jerome, sieh dir das an. Das Kind ist splitternackt. Sieh dir dieses Mädchen an. O mein Gott im Himmel -«
    »Ich habe mich im Wasser gewaschen«, sagte Emaleth. »Mutter liegt krank unter dem Baum. Mutter kann nicht mehr sprechen.« Emaleth

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