Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
unter dichten Brauen auf, und sein tödlicher Blick hielt mich fest. Angstvoll schaute ich mich um.
    Die Mönche, die anscheinend nur im Vestibül gewesen waren, erschienen wieder. Einer oder zwei wagten sich vor und starrten mich an. Sie sahen bemerkenswert aus, diese Kreaturen mit ihren kahlglänzenden Schädeln in langen Frauenkleidern. Aber als immer mehr von ihnen herankamen, geriet die Gesellschaft zusehends in Angst und Schrecken.
    »Er ist mein Sohn!« erklärte mein Vater. »Mein Sohn, ich sag’s euch! Er ist Ashlar, der wiedergekommen ist!«
    Jetzt schrien viele Frauen, und einige kippten rückwärts um, als fielen sie in Ohnmacht. Die Männer erhoben sich von den Bänken; auch der alte Laird stand auf und schlug mit beiden Fäusten auf die Tafel, so daß zur Rechten wie zur Linken die Becher und die Messer zu tanzen begannen. Wein spritzte, Teller klapperten.
    Und trotz seines Alters sprang der alte Laird auf seine Bank.
    »Taltos!« sagte er in leisem, bösartigen Flüsterton und schielte mich mit gesenktem Schädel an.
    Taltos. Ich kannte das Wort. Es war das Wort für mich.
    Instinktiv wäre ich davongerannt, wenn mein Vater nicht meine Hand festgehalten und mich so gezwungen hätte, bei ihm stehen zu bleiben. Andere aber verließen die Halle. Ein paar Frauen wurden von bangen Zofen hinausgeleitet, unter ihnen auch einige sehr alte, die völlig verwirrt aussahen.
    »Nein!« erklärte mein Vater. »St. Ashlar! Wiedergekehrt! Sprich zu ihnen, mein Sohn. Sag ihnen, daß es ein Zeichen vom Himmel ist.«
    »Aber was soll ich sagen, Vater?« fragte ich. Und bei dem klaren Klang meiner Stimme, die mir in keiner Weise bemerkenswert vorkam, geriet die Gesellschaft in Raserei. Die Leute zwängten sich zu den verschiedenen Türen hinaus. Der Laird stand jetzt mit geballten Fäusten auf dem Tisch und trat die vollbeladenen Teller beiseite. Die Bediensteten waren allesamt in Deckung gegangen. Die Frauen waren nicht mehr da.
    Schließlich waren nur noch zwei Mönche im Saal. Einer stand vor mir. Er war nicht so groß wie ich, rothaarig, mit sanften grünen Augen. Er lächelte mich an, und sein Lächeln war wie der Klang der Musik, ganz und gar beruhigend; ich spürte ein flaues Gefühl in meiner Seele.
    Ich wußte, daß die anderen meinen Anblick verabscheuten! Ich wußte, daß sie vor mir weggelaufen waren. Ich wußte, daß ihre Panik die gleiche war wie die, die ich bei den Frauen meiner Mutter und meiner Mutter selbst gesehen hatte.
    Ich versuchte es zu verstehen, zu wissen, was es bedeutete. Ich sagte: »Taltos«, als werde das irgendeine Offenbarung aufdecken, die in mir gespeichert war, aber nichts geschah.
    »Taltos«, sagte der Priester – denn er war einer, obwohl ich es da noch nicht wußte, ein Priester und ein Franziskanermönch -, und wieder schenkte er mir sein großartiges, sanftes Lächeln.
    Jetzt waren alle aus der Halle geflohen, alle bis auf meinen Vater und mich, den Priester, den Laird, der immer noch auf dem Tisch stand, und drei Männer, die vor dem Feuer kauerten, als warteten sie – worauf, das konnte ich mir nicht denken.
    Es ängstigte mich, sie zu sehen – sie und die bangen Blicke, die sie auf den Laird warfen und der Laird auf mich.
    »Er ist Ashlar!« rief mein Vater. »Seht ihr es denn nicht? Was muß Gott denn tun, damit ihr aufmerksam werdet? Den Turm mit seinem Blitz zerschmettern? Vater, er ist es!«
    Ich merkte, daß ich angefangen hatte zu zittern, ein überaus erstaunliches Empfinden, das ich noch nie zuvor erlebt hatte. Nicht einmal in der Winterkälte hatte mich gefröstelt. Aber dieses Zittern konnte ich nicht unterdrücken. Ja, es muß ausgesehen haben, als stände ich auf einem Stück bebender Erde, so heftig war es; allerdings gelang es mir, auf den Beinen zu bleiben.
    Der Priester trat an mich heran. Seine grünen Augen erinnerten mich an Juwelen, nur daß sie offensichtlich aus etwas Weichem gemacht waren. Er streckte die Hand aus und strich mir sanft, beinahe zärtlich, übers Haar und dann über Wange und Bart.
    »Es ist Ashlar!« flüsterte er.
    »Es ist der Taltos! Es ist der Teufel!« brüllte der Laird. »Werft ihn ins Feuer!«
    Die drei Männer kamen vom Kamin heran, aber mein Vater stellte sich vor mich, und der Priester ebenfalls. Ah ja, ihr könnt es euch vorstellen, ihr seht es deutlich vor euch, nicht wahr? Einer, der schreit nach meiner Vernichtung, als wäre er der Erzengel Michael, und die Behutsameren, die es nicht zulassen wollen.
    Und ich – von

Weitere Kostenlose Bücher