Tanz der Hexen
herausfinden können.«
»Was für Akten? Wovon reden Sie?«
»Oh, das ist eine lange Geschichte. Und nicht besonders leicht zu erzählen. Ich habe Verständnis dafür, daß es Ihnen widerstrebt, jemandem von den Proben zu berichten. Ich wü r de es an Ihrer Stelle auch nicht tun.«
»Gibt es denn Nachrichten über Rowans Aufenthalt?«
»Nicht die geringsten. Wir haben inzwischen nur die Bestätigung, daß sie und ihr Begleiter in Schottland waren, in Donn e laith.«
»Was hat das alles zu bedeuten? Wo ist Donnelaith in Schottland? Ich war schon überall in den Highlands, auf der Jagd und zum Angeln. Aber von Donnelaith habe ich noch nie g e hört.«
»Es ist ein Ruinendorf. Im Augenblick wimmelt es dort von Archäologen. Es gibt ein Gasthaus, in dem hauptsächlich To u risten und Universitätsangehörige absteigen. Dort wurde R o wan vor ungefähr vier Wochen gesehen.«
»Na, das ist eine alte Nachricht. Das hilft uns nicht. Es gibt also nichts Neues?«
»Nichts Neues, nein.«
»Dieser Begleiter, wie sah er denn aus?« wollte Lark wissen.
Lightners Miene verfinsterte sich ein wenig. War das Müdigkeit oder Bitterkeit? Lark war ratlos.
»Oh, Sie wissen inzwischen mehr über ihn als ich, nicht wahr?« sagte Lightner. »Rowan hat Ihnen Röntgenfilme geschickt, EEG-Diagramme, all das. War nicht auch ein Bild dabei?«
»Nein«, sagte Lark. »Was für Leute seid ihr eigentlich?«
»Wissen Sie, Dr. Larkin, ich weiß ehrlich nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Ich glaube, ich wußte es noch nie. Ich gestehe es mir heute nur ehrlicher ein. Es geschieht so ma n ches. New Orleans schlägt die Menschen in seinen Bann. Die Mayfairs ebenfalls. Was Ihre Untersuchungen angeht, so habe ich geraten; man könnte sagen, ich habe versucht, Ihre G e danken zu lesen.«
Lark lachte. All dies wurde in so liebenswürdigem Ton gesagt, so philosophisch. Er verspürte plötzlich Sympathie für diesen Mann. Im Dämmerlicht des Wagens bemerkte er auch so ein i ges an ihm. Daß Lightner an einem leichten Emphysem litt. Daß er nie geraucht hatte und wahrscheinlich nie ein Trinker gewesen war. Daß er in einem Lebensjahrzehnt programmierter Gebrechlichkeit – über achtzig – noch ziemlich gesund war.
Lightner lächelte und schaute aus dem Fenster.
»Möchten Sie mir erzählen, was Ihr Freund Mitch Flanagan herausgefunden hat?« fragte er.
»Eigentlich nicht. Außer Rowan möchte ich es niemandem erzählen. Ich habe Ryan Mayfair wegen des Geldes anger u fen. Das hat Rowan mir aufgetragen. Aber sie hat nicht g e sagt, daß ich die Untersuchungsbefunde irgend jemandem aushändigen soll. Sie hat gesagt, sie würde sich wieder bei mir melden, wenn sie kann. Und Ryan Mayfair sagt, Rowan könnte etwas zugestoßen sein. Vielleicht ist sie sogar tot.«
»Das stimmt«, sagte Lightner. »Es ist sehr freundlich von I h nen, daß Sie gekommen sind.«
»Zum Teufel, ich mache mir Sorgen um Rowan. Ich war nicht allzu glücklich, als Rowan die Universität verließ. Ich war nicht glücklich darüber, daß sie Hals über Kopf heiratete. Ich war nicht glücklich darüber, daß sie die Medizin aufgab. Im Gegenteil, ich war so verblüfft, als hätte jemand gesagt: ›Heute um drei geht die Welt unter.‹ Ich konnte es gar nicht glauben, bis Rowan selbst es mir immer wieder sagte.«
»Das weiß ich noch. Sie hat Sie im letzten Herbst oft angerufen. Ihre Mißbilligung lag ihr schwer auf der Seele.« Das sagte er in mildem Ton, wie alles andere. »Sie wollte Ihren Rat bei der Einrichtung von Mayfair Medical. Sie war sich sicher, wenn Sie erst eingesehen hätten, daß es ihr mit dem medizinischen Zentrum ernst war, würden Sie auch begreifen, weshalb sie nicht mehr praktizierte und daß es um sehr viel mehr ging.«
»Dann sind Sie ein Freund von ihr, nicht wahr? Ich meine nicht unbedingt diese Talamasca, aber Sie.«
»Ich glaube, ich war ihr Freund. Vielleicht habe ich sie im Stich gelassen. Ich weiß es nicht – vielleicht hat sie auch mich im Stich gelassen.« Ein Hauch von Bitterkeit, vielleicht sogar Zorn, klang durch seine Worte. Dann lächelte er wieder freun d lich.
»Ich muß Ihnen etwas gestehen, Mr. Lightner«, sagte Lark. »Ich habe diese Sache mit Mayfair Medical für eine Spinnerei gehalten. Aber ich habe seitdem ein paar Erkundigungen ei n gezogen. Offensichtlich verfügt diese Familie über die Mittel zur Verwirklichung von Mayfair Medical. Das wußte ich einfach nicht. Ich hätte es wissen können, nehme ich an. Alle
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