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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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erinnerte, flog die Mackerlake davon, so schnell, wie sie gekommen war.
    Lange bevor er das Vorhaben, das ihn hierhergeführt hatte, weiterverfolgen konnte, grübelte Sam darüber nach, ob die Mackerlake »wirklich« gewesen war. Aber diese Fledermaus war mit Sicherheit wirklich gewesen, und Sam selbst wäre nicht mehr »wirklich«, wenn die Fledermaus ihn gefressen hätte.
    Der Bau der Glocke und ihres Gerüsts war viel weniger kompliziert als der seiner Uhr: In die Oberseite war ein großer Bolzen eingelassen, der auf zwei Mulden in der Aufhängung frei beweglich ruhte; an einer Seite der Glocke ragte ein Metallarm hervor, der mit dem Ende des Glockenstrangs verbunden war. Wenn man ihn zog, schwang die Glocke hin und her. Ihre Beweglichkeit kam durch das Schmierfett in der Mulde. Dieses Schmierfett war sehr alt, ausgetrocknet und zusammengeklumpt, aber die Reibung während der Betätigung neulich hatte es genügend verdünnt und aufgelöst, so daß Sam ein bißchen davon auf seine Fühler streichen und kosten konnte: Es mußte aus Schweinefett gewonnen worden sein und schmeckte ranzig und bitter. Aber er biß genug davon ab, um seine Schwanzreifen der Länge nach damit einzuschmieren. Er rieb seine Reifen gründlich ein. Nichts geschah. Er kam sich albern vor. Eins von Docs Ammenmärchen über ein Hausmittel, das seine Schwanzreifen wahrscheinlich eher auflösen als heilen würde. Sam fragte sich, wie lange er wohl warten sollte oder ob wiederholte Anwendungen in bestimmten Abständen nötig waren; er wurde ungeduldig und nervös. Das Tageslicht brach jetzt mit aller Wucht herein; irgendwo krähten Hähne eine Bekanntmachung hinaus, die er nicht hören konnte: TREIBT DIE HERDE DER TÜCKISCHEN LUMPENVÖGEL!
    Die großen Strapazen seiner Reise zum Schulhaus und den Glockenturm hinauf, seine Begegnung mit der Mackerlake und jetzt die Ungewißheit forderten ihren Tribut, und ihm wurde bewußt, wie viele Stunden vergangen waren, seit er etwas zu essen gehabt hatte, aber jetzt war nichts zu essen da außer uraltem Schweinefett. Er war hungrig und müde, ungeduldig und nervös, und er kam sich albern vor.
    Schließlich schlief er auf dem Glockengerüst ein, und eine Taube flog herunter, begutachtete ihn und sagte zu ihm: »Du! Du! Du!«, aber Sam hörte sie nicht und wachte nicht auf. Die Taube entschied, daß er nicht eßbar wäre, und ließ ihn in Ruhe … oder vielleicht stand er noch immer unter dem Schutz der Mackerlake.
    Er schlief den ganzen Tag, und als er am Abend erwachte, war er geweckt worden von der Musik der Heuschrecken und den Melodien der Zikaden und, ja, den süßen Klängen der Grillen und, ja ja, dem lieblichen Gesang der Frösche und, ja ja ja, sogar von der weit entfernten Arie seiner eigenen Uhr, die eben »POPCO –« verkündete – das letzte Lied, das sie jemals sang.
     
    35.
    Acht Uhr, denkt Doc Swain träge, oder sogar unbewußt, oder bewußt nur wegen der Tatsache, daß sich um diese Zeit gewöhnlich die Müßiggänger auf seiner Veranda zu versammeln beginnen, aber jetzt hat er die Veranda für sich allein. Hat? »Müßte das nicht ›hatte‹ heißen?« fragt er sich laut und versucht, das richtige Tempus zu finden. Nein, er hat die Veranda für sich allein, und wir befinden uns in der Gegenwart. In der achten Stunde und in der Nacht nach dem Fortgang des Mannes und der Frau. Keiner von beiden ist zurückgekehrt, und die Frau ist nicht zu Hause gewesen, um im Parthenon für Ordnung zu sorgen und die Uhr aufzuziehen, die über ein Acht-Tage-Werk verfügt, das zum letztenmal vor neun Tagen aufgezogen worden ist und nun, mit dem Ausruf »POPCO –«, seinen letzten Seufzer getan hat. Es gibt keine Zeit – jedenfalls meßbare – mehr, für Uhren oder Knackerlaken, und Doc Swain sitzt oder hockt auf der Veranda seiner Klinik, der Zeit entrückt, in dem Bewußtsein, daß die Müßiggänger nicht zur üblichen Stunde zusammenkommen oder – Augenblick mal, die Tage sind länger und die Nächte kürzer geworden, und es ist noch immer hell an diesem Abend im frühen Juni um acht Uhr, und vielleicht kommen die Müßiggänger später noch vorbei. Fent Chism wird nicht unter ihnen sein, denn er ist im Westen, und Junker Hank womöglich auch nicht, denn Junker Hank, der Narr, ist nach Hause in den Parthenon gegangen und wahrscheinlich vom Prediger und seiner Bande gewestert worden.
    Niemand außer mir und den Spinnen, stellt Doc fest, und obwohl es um acht Uhr noch heller Tag ist, sind die Spinnen

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