Tanz der Kakerlaken
Gewalten wären gekommen und hätten Ihn weggebracht. Er ist nicht mehr im Heiligen Haus, oder?« Doc schüttelt den Kopf, und Leroy fragt: »Glauben Sie, daß ich lange genug im Osten bleibe, um das Heilige Haus und meine Frau und meine Kinder nochmal wiederzusehen?«
»Du gehörst ins Haus Pital«, erklärt Doc.
»Wie bitte?«
»Mal sehen, ob wir dich nicht reinschaffen können, damit du dich hinlegen und anständig ausruhen kannst«, sagt Doc und hilft Leroy, sich die Veranda hinauf und in die Klinik zu schleppen. Ein Baldachin aus Spinnweben hängt über Leroys Bett, aber die Spinnen schlafen bereits und werden Leroy nicht belästigen. Tatsächlich sind diese gemeinen Hausspinnen hilfreich, denn die klebrigen Fäden ihrer Netze sind hervorragend dafür geeignet, Leroys Wunden zu verbinden.
Bevor die Nacht vorbei ist, hat Doc zwei weitere Patienten in seinem Haus Pital, die Exdiakone Gene Stapleton und Stan Ledbetter. Der erstere versinkt in Bewußtlosigkeit und liegt möglicherweise im Koma, aber der letztere vermag Leroys Bericht zu bestätigen über die Vertreibung der drei aus dem Parthenon durch Junker Hank und auch, obwohl er kein Zeuge war, die Spekulationen über Chids Verbannung.
»Was ist mit Archy und Tish?« fragt Doc.
»Er und sie haben geheiratet«, erklärt Stan, »deshalb hat der Junker gesagt, sie könnten ihre Flitterwochen über im Parthenon bleiben.«
Doc bemüht sich nach Kräften um seine Patienten, obwohl es so aussieht, als wäre Gene Stapleton nicht mehr zu retten. Doc wünscht, er hätte ein, zwei Krankenschwestern zur Unterstützung. Was ist ein Haus Pital ohne eine Krankenschwester? Doc hat nicht einmal eine Arzthelferin. Vor seinem geistigen Auge sieht er das Haus Pital, in dem Lawrence Brace liegt und betreut und versorgt wird von einer Sekretärin, einer medizinisch-technischen Assistentin, einer Krankenschwester, einer Lernschwester, einer Schwesternhelferin, einem Atmungstherapeuten, einer Diätassistentin und dem Angestellten der Krankenversicherung, ganz zu schweigen von einem Dutzend verschiedener Ärzte und einem Krankenpfleger. Das Menschengeschlecht ist ein gutes Stück weiterentwickelt als das Knackerlakengeschlecht, denkt sich Doc und gestattet sich einen flüchtigen Moment des Selbstmitleids.
Aber soviel gibt es gar nicht zu tun in seinem Haus Pital, und er weiß es. Nachdem die Ansätze der Krabbler einmal saubergetupft und gereinigt und mit Spinnweben umwickelt worden sind, damit sie nachwachsen (oder, wie Docs eigene nicht regenerierte Krabbler, gut verheilte Stummel bilden) und nachdem der Patient ein bequemes Lager bekommen hat und ihm gelegentlich die Temperatur gemessen und der Puls gefühlt worden ist, bleibt eigentlich nicht mehr viel zu tun. Doc kann auf seine Veranda zurückkehren und dem Lauf der Welt zusehen, zumindest dem wenigen, was in dieser lauen, stillen, typisch saumseligen Nacht abläuft. Ein junger Bursche, Freddy Coe, kommt den Weg entlanggeschlendert, und er hält gerade lange genug inne, um mit den Schnüffelruten zu winken und zu sagen: »Krümchen, Doc.«
»Krümchen, Freddy«, erwidert Doc.
Der Junge bleibt stehen und zuckt mit den Schnüffelruten: »Riecht so, als hätten Sie ein paar Kranke drin, was?«
»Jawohl, ich hab ein regelrechtes Haus Pital«, sagt Doc mit nicht geringem Stolz. Dann kommt ihm ein Gedanke. »Wie fändest du es, wenn ich dir einen Job gäbe, als Pfleger?«
»Einen Job?« sagt Freddy. »Als Pfleger?«
»Dazu gehört nicht viel«, versichert ihm Doc. »Ich hab drei Burschen, die ziemlich übel zugerichtet sind, und brauche jemanden, der mir hilft, sie zu versorgen.«
»Meine Ma meint immer, ich wär so ungepflegt«, bekennt Freddy.
»Würdest du nicht gerne Arzt werden, wenn du mal groß bist?« fragt Doc. »Ich könnte dir alles beibringen.«
»Wenn ich mal groß bin?« erwidert Freddy beleidigt. »Doc, ich bin letzte Woche Imago geworden, sehen Sie das nicht?«
Tatsächlich, der Junge ist voll entwickelt, ein Imago, aber Doc kommt nur schwer mit dem Gedanken zurecht, daß Kinder wie Freddy, die seit ihrem ersten Stadium bei ihm zur Untersuchung und Behandlung gewesen sind, die Gewohnheit haben, groß und erwachsen zu werden. »Ein Grund mehr, daß ich dich brauchen kann«, sagt der Doc.
»Nun, ich schätze, es gibt schlimmere Jobs«, räumt Freddy ein und steigt die Treppe hinauf.
Und Freddy hat recht. Es gibt schlimmere Jobs. Und so kommt Doc Swain, der selbst keine Söhne hat, die in seine
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