Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
Sünde! Wer unter euch hat nicht vom Krümchen gegessen, wenn doch der Kanten genug gewesen wäre? Wer unter euch hat sich nicht in Lust und Sünde mit seiner eigenen Verwandtschaft im Inzest gepaart? Wer von euch hat nicht die Ehe gebrochen? Und wer unter euch hat nicht der Hurerei gefrönt?«
    Obwohl Sam nicht hören konnte, so konnte er doch sehen, und er sah Tish zittern. War sie eine Chrustin? Er erinnerte sich an ihren Glauben an das Schicksals-Ding, eine so naive, aber leidenschaftliche Überzeugung, und er überlegte, ob sie in ihrem Herzen auch noch Platz hatte für den Glauben an das Chrustliche Gefasel des Chid Tichborne.
    »O ja, meine Freunde, bezweifelt nicht eine Minute lang, daß er aufsteht gegen die Sünder in eurer Mitte und sie erschlagen wird. Er wird euch mit Seinen Kugeln erschlagen! Sein Heiliger Revolver ist geladen und fertig! Der liegt dort oben, genau neben Seinem Großen Heiligen Kristallenen Aschenbecher, und er ist bereit, gebraucht zu werden!
    Seht in eure Herzen, sage ich euch, und fragt: Bin ich es, o Herr? Bin ich derjenige, den Deine Strafe ereilt? Haben meine Sünden Dich beleidigt, o Herr?«
    Sam war versucht, sich zu seinem Vater und seiner Geliebten zu gesellen. Sein Vater war der einzige im Publikum, den die Redekünste des Predigers ungerührt ließen. Die anderen, Tish eingeschlossen, schienen der Hysterie und Raserei nahe zu sein. Mehrere hatten ihre Köpfe in tiefer Demut auf den Boden gesenkt. Andere, hauptsächlich männliche Knackerlaken, erhoben sich und rangen, von Seelenqualen geschüttelt, ihre Schnüffelruten. Wieder andere, hauptsächlich weibliche Knackerlaken, reckten flehentlich ihre Fühler und Schnüffelruten zum Mann empor. Sie alle warfen sich nieder, als der Geistliche schrie:
    »Lasset uns beten! Allmächtiger Mann, unser Vater, der Du bist Herr über alle Welt, wir bitten Dich, erhöre unser feierliches Gebet.« So laut war Chids Stimme, so weit war sein Gesicht zum Herrn emporgereckt, daß man denken mußte, der Mann, wenn nicht gar Sam, könnte ihn hören. Tatsächlich konnte Sam das eine oder andere Wort aufschnappen. »Wir alle sind der Verdorbenheit schuldig! Und des Ungehorsams! Und der Zuchtlosigkeit! Und des Bösen in Gedanken, Worten und Werken! O Herr, unser Mann, wenn es Dein Wille ist, steh auf gegen diese Sünder und zerschmetterte sie mit Deinem Heiligen Colt!«
    Und wahrlich, der Herr stand auf. Er legte Sein Buch hin und stand da. Aber er griff nicht nach Seinem Revolver. Er nahm Sein leeres Glas und brachte es in die Küche, um es wieder zu füllen. Er schien die Versammlung zu Seiner Anbetung auf dem Boden Seines Mußeraumes nicht einmal bemerkt zu haben. Viele waren in das nächste Versteck gehuscht und geflitzt, kaum daß des Herrn Kniegelenke Ihn aufrichteten. Aber die meisten blieben geduckt dort hocken, wo sie waren, und verstärkten die Inbrunst ihres Gebets.
    Tish, so stellte Sam fest, war unter denen, die blieben und laut beteten. Sams Vater, so bemerkte er, blickte sie mitleidig an.
     
    18.
    Chid war enttäuscht. Es war eine seiner flammendsten Predigten und eloquentesten Gebete gewesen, beflügelt nicht nur durch die Tatsache, daß sie ihre Versammlung vor den Krabblern des Herrn abhielten, sondern auch dadurch, daß er Junker Hank persönlich unter dem Publikum entdeckte, wenn auch nur am Rand und nicht ganz vorn unter den ältesten Kirchenältesten und Diakonen, wo sein rechtmäßiger Platz gewesen wäre. Was machte der Junker, dieser Ungläubige, überhaupt hier? Hoffte er darauf, mitzuerleben, wie Chid sich lächerlich machte? Nun, der Junker würde sich wundern. Zwar war der Herr nicht mit Seinem Revolver in der Hand aufgestanden, womit Chid fest gerechnet hatte, aber die Nacht war noch jung, die Gebetsversammlung hatte gerade erst begonnen, der Herr hatte erst die Hälfte des Liters, den Er gewöhnlich trank, konsumiert, und Chid konnte Ihn, wenn er seine besten Tricks und Kniffe einsetzte, noch immer zu einem Zornesausbruch inspirieren.
    »Brüder und Schwestern«, wandte er sich an die Menge und versuchte, jene zurückzurufen, die geflohen waren, »der Herr gehet von dannen, ja. Er geht in Seine Kochstatt, um Seinen Sagenhaften Kühlschrank zu öffnen und sich neue Eiswürfel zu holen, aber Er wird wiederkommen! Harret mit mir, Freunde, wachsam und gläubig Seiner Rückkehr. In der Zwischenzeit ein paar Bekanntmachungen.«
    Die nächste Sitzung des Wohlfahrtsverbandes der Damen würde Donnerstag abend stattfinden. Zum

Weitere Kostenlose Bücher