Tanz der Sinne
mißbilligend.
»Meine Kunden erwarten Diskretion.«
»Das verstehe und respektiere ich, aber ich hoffe, daß du diesmal eine Ausnahme machen wirst.
Einer dieser Männer hat höchstwahrscheinlich eine junge Schauspielerin aus guter Familie entführt und zwingt sie, an Aktivitäten teilzunehmen, wie sie deinen Kunden gefallen.«
Dolly runzelte die Stirn. »Das ist nicht richtig.
Spiele sind nur gut, wenn die Spieler aus freien Stücken mitmachen und die Grenzen des anderen respektieren. Am besten ist es, wenn wirkliche Zuneigung im Spiel ist.« Sie studierte die Liste.
»Ich glaube nicht, daß es der erste da ist.
Harford. Ich habe von ihm gehört, aber er ist nie hier gewesen. Manchmal besucht er ein normales Bordell, das einer Freundin von mir gehört. Ich glaube, er ist ebenso anspruchslos wie du.«
Lucien machte ein unglückliches Gesicht. »Es wäre mir lieber, wenn du keine Vergleiche zwischen Harford und mir anstellst.«
Sie grinste und sah wieder auf die Liste. »Alle anderen sind hiergewesen, aber keiner ist regelmäßiger Kunde. Mace ist rein aktiv – ziemlich gut im Bestrafen. Chiswick mag beides, manchmal ist er der Meister, manchmal der Sklave. Westley ist rein passiv – er mag Fesseln, und er wird wild, wenn man ihm die Fußsohlen kitzelt. Nunfield.«
Sie klopfte mit einem langen, spitzen Fingernagel auf das Papier. »Der geht zu weit. Nach seinem letzten Besuch habe ich ihm gesagt, daß er nicht wiederkommen soll.«
»Gibt es einen, den du deiner Erfahrung nach als besonders verdächtig einstufen würdest?«
Sie zögerte. »Möglicherweise Nunfield, aber das ist schwer zu sagen. Sie sind alle viel zu sehr daran gewöhnt, daß sie genau das kriegen, was sie wollen. Das könnte eine Entführung einschließen und auch, daß sie einem Mädchen, das ihnen nicht zu Willen ist, mit der Peitsche Respekt einbleuen.«
»Ich habe Grund zu der Annahme, daß die junge Dame gezwungen wird, die Domina zu spielen.«
Dolly schürzte die Lippen. »Eigenartig. Von einem Mann, der gerne dominiert wird, hätte ich etwas wie eine Entführung nicht erwartet. Aber man kann nie wissen.« Sie gab ihm die Liste zurück.
»Ich hoffe, das hat geholfen.«
»Hat es.« Er stand auf. »Vielen Dank, Dolly. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.«
»Gib mir Bescheid, wenn du das Mädchen gefunden hast«, sagte sie ernst. »Ein Kerl, der imstande ist, eine junge Frau zu entführen und sie zu etwas zu zwingen, das gegen ihre Natur ist, ist zu allem fähig.« Leise sagte Lucien: »Das befürchte ich auch.«
Lucien saß in seinem Arbeitszimmer, als Jason Travers nach einem ausgedehnten Schlaf zum Vorschein kam. Gebadet, rasiert und in der Kleidung seines Gastgebers sah er recht manierlich aus, auch wenn die Kleider an seinem hageren Körper schlotterten. Lucien winkte ihn herein. »Guten Morgen. Wie fühlen Sie sich?«
Der Amerikaner kam herein und fing an, ruhelos im Zimmer hin- und herzulaufen. »Ein bißchen mehr bei Verstand als gestern nacht, aber ich bin immer noch nicht ganz davon überzeugt, daß ich nicht doch Fieber habe und alles eine Halluzination ist.«
»Haben meine Diener sich gut um Sie gekümmert?«
»Ausgezeichnet.« Humor blitzte in seinen dunklen Augen. »Alle nennen mich Lord Markland.
Komisch, daß das ich sein soll.«
Lucien lehnte sich in seinen Stuhl zurück. »Ich hielt es für eine gute Vorsichtsmaßnahme. Selbst, wenn Sie gesucht werden sollten, wird niemand einen Grafen mit einem entflohenen Kriegsgefangenen in Verbindung bringen.«
»Ich habe jedenfalls große Schwierigkeiten damit.« Jasons Blick wanderte über die Regale voll ledergebundener Bände, die eleganten Möbel, die gedämpft leuchtenden Farben des Teppichs unter seinen Füßen. »Alles, was ich sehe, ist eine Wonne für meine Augen. Ziemlich überwältigend nach der Eintönigkeit auf dem Gefängnisschiff. Ich hatte Kaffee, ein weiches Ei und Toast zum Frühstück. Nektar und Ambrosia.« Er berührte die Blüten in einem Blumenstrauß, der den Raum mit seinem Duft erfüllte. Seine Finger strichen fast ehrfürchtig über die seidigen Blütenblätter. »Wie es scheint, sind Sie selber ein Lord.«
Lucien neigte formell den Kopf. »Der neunte Graf von Strathmore, letzter in einer langen Linie von Männern, die wußten, mit welcher Seite sie es in einem Krieg zu halten hatten und daß man den Spieltisch verläßt, solange man den Vorteil auf seiner Seite hat. Nicht gerade heroisch, aber es hat den Vorteil der
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