Tanz der Sinne
Tür aufreißen und die Treppe hinunterstürzen.
Lucien hinderte sie daran. »Warte«, sagte er scharf, als er ihren Arm packte. »Bleib hinter mir.«
Sie starrte ihn blind an, und er vermutete, daß sie wieder mit Kira in Verbindung stand. Er schüttelte sie leicht. »Kit, wenn wir Kira befreien wollen, mußt du bei uns bleiben, körperlich und geistig.«
Sie schluckte und nickte dann. Ihre Augen wurden klar. »Ich verstehe.«
Michael öffnete die Tür wieder und ging den anderen voran die Treppe hinunter. Die ausgetretenen Stufen und rauhen Wände verrieten ihre mittelalterliche Herkunft. Je tiefer sie kamen, desto lauter wurde der Gesang. Eine einzelne tiefe Stimme intonierte eine Phrase, gefolgt von einer vielstimmigen Antwort. Die Sprache war größtenteils nicht zu erkennen, schien aber eine mittelalterliche Abart von Latein zu sein.
Das Vibrieren nahm ebenfalls zu und schien selbst die Steinmauern zu erschüttern. Das Gefühl von Bedrohung wurde mit jedem Schritt stärker, bis Lucien vor Nervosität am liebsten aus der Haut gefahren wäre.
Er nahm an, daß sein Unbehagen weniger eine Vorahnung kommender Katastrophen war als Angst um Kit. Lebensgefahr war ihm nicht fremd, aber in der Vergangenheit hatte er lediglich sein Leben riskiert. Jetzt machte er sich viel mehr Sorgen um Kits Sicherheit, als er je um seine eigene gehabt hatte.
Daß Kit offenbar kurz davor war, die Nerven zu verlieren, half auch nicht gerade. Das Band zwischen ihnen war vielleicht nicht so eng, wie er sich wünschte, aber es war stark genug, daß er von ihren Empfindungen beeinflußt wurde. Das Ausmaß ihrer Angst erweckte quälende Erinnerungen an die verzweifelte Panik, die er empfunden hatte, als er versucht hatte, Elinor zu retten.
Sein Mund wurde hart. Er hatte seiner Schwester nicht helfen können, aber diesmal würde er nicht versagen.
Der Gang am Fuße der Treppe führte in beide Richtungen, während die Stufen noch weiter abwärts gingen. Rechts gab es mehr alte Mauern, aber Gesang und Licht kamen von links, wo der Gang direkt in den Kalkstein des Hügels gehauen worden war.
Fragend berührte Lucien Kits Schulter. Sie verzog das Gesicht und zeigte auf die Wand direkt vor ihnen. Offenbar war Kira dahinter, und es war nicht klar, auf welchem Weg sie sie erreichen konnten.
Lautlos schlich Michael auf das Licht zu und verschwand um eine Biegung. Ein paar Augenblicke später kam er wieder und machte ihnen ein Zeichen, das sowohl Vorsicht als auch Schweigen gebot. Die anderen drei folgten ihm.
Was sie sahen, war verblüffend. Der Gang führte in eine dunkle Galerie, die um alle vier Seiten eines riesigen Raumes herumführte. Dieser schien eine natürliche Höhle zu sein, die zu annähernd rechteckiger Form erweitert worden war. Die Wände glänzten vor Nässe. Tief unter ihnen, in der Mitte des Raumes, standen die Jünger, gewandet in scharlachrote Roben und priesterlich anmutende Kopfbedeckungen. Lucien war überrascht zu sehen, daß es nur dreizehn Anwesende gab. Das unheimliche Echo ihres Gesanges hatte die Gruppe wesentlich größer erscheinen lassen.
In jeder Ecke des Raumes stand ein kräftiger Mann in schwarzem Gewand und Turban, ein Krummschwert vor sich aufgepflanzt. Ives hatte recht gehabt, die Wachen sahen aus wie pensionierte Faustkämpfer.
Am erstaunlichsten von allem waren die Statuen, die in doppelter Reihe rings um die Gruppe standen. Es waren mindestens dreißig überlebensgroße Figuren. Jede Statue stellte einen waffenschwingenden Krieger dar, und keine glich der anderen. Ein römischer Gladiator mit kurzem Schwert und rundem Schild stand einem wilden Afrikaner gegenüber, der ein riesiges Buschmesser schwang. Ein bärtiger Wikinger mit einer Streitaxt bleckte einem Türken mit Krummschwert die Zähne entgegen, während ein Landsknecht mit Hellebarde drohend einen mittelalterlichen Ritter mit Morgenstern anstarrte.
Sie waren aus bemaltem Metall und wirkten beunruhigend lebensecht. Lucien hatte eine alptraumhafte Vision, wie sie zum Leben erwachten und ihre Wappen benutzten, um jeden zu vernichten, der versuchte, sich den Satansjüngern zu nähern.
Genau im Zentrum des Raumes zwischen zwei flackernden Feuern stand der Zeremonienmeister, der einzige, der den Eindringlingen das Gesicht zuwandte. Es war Mace, die Arme hoch über den Kopf erhoben. Über ihm hing ein riesiger Kronleuchter und hinter ihm stand ein großer, flacher steinerner Altar. Luciens Magen hob sich.
Der Altar sah aus, als sei er für
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