Tanz der Sinne
Hinter ihr sagte eine tiefe, vertraute Stimme: »Darf ich bitten?«
Und noch ehe sie protestieren konnte, lag sie in den Armen des Grafen von Strathmore.
Kapitel 21
Natürlich mußte Strathmore ihr in die Quere kommen, dachte Kit empört. Man hätte sie beide mitten in der Sahara aussetzen können, und sie würden zusammenfinden wie die beiden Pole eines Magneten. Aber er schien sie nicht zu erkennen, und das war das einzige, was zählte.
Mit den paar Quadratzentimetern, die von ihrem Gesicht zu sehen waren, und die noch dazu geschminkt, war ihre jetzige Tarnung selbst für Strathmore unmöglich zu durchschauen.
Das hieß allerdings nicht, daß sie ihm Gelegenheit dazu geben durfte. Sie änderte die Stellung ihres Mundes, um das sinnliche Schmollen einer Französin anzudeuten, und sagte mit Pariser Akzent: »Isch ’abe diese Tanz einem anderen versprochen, Monsieur.«
»Wenn der Kerl uns findet, ziehe ich mich augenblicklich zurück«, sagte Strathmore in makellosem Französisch. »Aber bis dahin wäre es schade um die Musik.«
Da er sie nicht losließ, war sie gezwungen, sich mit ihm in den Rhythmus des Tanzes zu fügen –
den verruchten, skandalösen Walzer, den moralische Bürger verteufelten, weil er unreine Gedanken erregte. Strathmore hatte ständig diesen Effekt auf sie, und der Himmel mochte wissen, was ein Walzer auslösen würde.
Sie hatte das Gefühl, daß er sie mit ungewöhnlicher Eindringlichkeit beobachtete.
Hatte er irgendeinen Verdacht? Sie versuchte, in seiner Miene zu lesen, aber seine schwarze Maske machte das unmöglich.
Ihre Schritte harmonierten vollkommen. Auch das überraschte sie nicht. Sie waren seit ihrer ersten Begegnung in einer Art Tanz befangen.
Schweigend glitten sie über die Tanzfläche.
Konversation war notwendig, Schweigen ließ sie seine Nähe zu deutlich spüren. Ohne ihre Hand von der Schulter ihres Partners zu nehmen, öffnete sie ihren Fächer und fing an, sich das Gesicht zu kühlen, während sie nach einer unverfänglichen Bemerkung suchte. Sie hätte das dritte Glas Champagner nicht trinken dürfen, denn jetzt ließ ihre übliche Erfindungsgabe sie im Stich.
Er löste das Problem, indem er fragte: »Wenn junge französische Damen tanzen lernen, bringt man ihnen dann auch bei, sich zu fächeln, ohne einen Schritt auszulassen? Eine interessante Kunst.«
Sie lachte trillernd. »Französinnen stecken voller interessanter Künste, Monsieur.« Zu spät dachte sie daran, daß ihre Bemerkung zu der freizügigen Art paßte, in der sie mit Harford geflirtet hatte.
»Großartig. Ich liebe solche Frauen«, sagte Strathmore schmeichelnd.
Er zog sie an sich, so daß ihre Körper sich leicht berührten. Jede Bewegung wurde zu einer Liebkosung – ihr Busen streifte seine Brust, noch ehe sie es merkte, sein Atem strich über ihre Wange, sein Knie preßte sich an ihren Schenkel.
Jede Berührung war flüchtig, aber der Gesamteindruck war ungemein erregend. Sie wollte sich an ihn schmiegen und diesen zufälligen* Kontakt in eine wilde Umarmung verwandeln. Lebhafte Erinnerungen an den Abend im Clarendon stiegen in ihr auf und trieben hitzige Röte in ihre Wangen. Sie zog den Kopf ein, dankbar, daß Strathmore ihre Gedanken nicht lesen konnte.
Er murmelte in ihr Ohr: »Sie tanzen gut, Madame.«
»Ebenso wie Sie, Monsieur, aber Sie kommen mir näher als der Anstand erlaubt«, erwiderte sie mit sanftem Tadel.
Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, aber sein Arm um ihre Taille vereitelte ihre Absicht.
»Anstand in einem Ballsaal um Mitternacht ist sehr verschieden von dem um zwölf Uhr mittags in einem Salon, Madame. Sehen Sie sich um.«
Allerdings hielten viele Paare einander enger umschlungen als sie und ihr Partner. Aber ganz sicher hatte keiner der anderen Männer Strathmores Fähigkeit, die Glieder einer Frau zu Pudding zu machen…
»Sie erinnern mich an jemanden«, sagte er nachdenklich.
In ihrem Inneren schrillten Alarmglocken und rüttelten sie aus ihrer trägen Stimmung. »Gute Erinnerungen oder schlechte, Monsieur?«
»Beides. Eine hinreißende Frau, aber entsetzlich flatterhaft. Sie war ungefähr so groß wie Sie« –
seine Wange streifte ihr Haar – »und ebenso angenehm zu halten« – er zog sie zur Bekräftigung an sich – »und sie war voller Grazie, wie Sie.« Er sah ihr so bedeutungsvoll in die Augen, daß sie erschrak. »Ich frage mich, ob auch Ihre Küsse dieselben sind.«
Ehe er seinen Worten Taten folgen ließ, wich sie ihm aus und sagte
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