Tanz der Sinne
frostig: »Nur ein ausgesprochen dummer Mann macht einer Frau Komplimente, indem er sie mit einer anderen vergleicht.«
»Sie haben vollkommen recht. Ich bin oft sehr dumm, was Frauen angeht.« Er hob ihre Hand und küßte ihre Fingerspitzen. »Vergeben Sie mir.
Ich will versuchen, klüger zu sein.«
Mehr Zweideutigkeiten. Eindeutig vermutete er, wer sie war, war sich aber nicht sicher. Dem Himmel sei gedankt für die Maske und ihre sorgfältige Tarnung. Trotzdem, die intensive Anziehungskraft zwischen ihnen ließ sich nicht leugnen, und je länger sie zusammen waren, desto mißtrauischer würde er werden. »Ich glaube nicht, daß es vernünftig ist, weiter mit Ihnen zu tanzen, Monsieur.«
»Warum sollten wir vernünftig sein?« Sein rechter Arm glitt um ihre Taille, und sein Domino umhüllte sie wie schützende Schwingen, als er sie wieder in den Tanz zog. Sie hielt den Atem an, so süß war seine Umarmung. Sie hatte recht gehabt, sich vor ihrem Schweigen zu fürchten, denn ohne die Waffe der Worte hatte sie keinen Schutz vor ihm.
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu bleiben und der Gewißheit, daß sie es nicht durfte, beschloß sie zu gehen, sobald der Walzer endete.
Aber die Musik erklang weiter und weiter, viel länger als ein normaler Walzer, und ein Schleier von Klang und Begierde senkte sich über sie.
Nach und nach legte sich die Angst, die sie seit Wochen antrieb. Ihre Augen schlossen sich, und sie legte ihre Wange an seine Schulter.
Sie spürte, daß ihr Tanz ein ebenso eindeutiger Akt der Paarung war, als lägen sie gemeinsam unter seidenen Laken, aber sie konnte sich nicht losreißen. Sie drehten sich im Takt des Walzers, umwirbelt von ihren Dominos, wie in einer schwarzen und mitternachtsblauen Gewitterwolke.
Endlich – und doch viel zu früh – war der Tanz zu Ende. Sie blieben unter einem Kronleuchter stehen und starrten einander an wie unter einem Zauberbann. Sie sah, daß seine Augen hinter der Maske golden leuchteten wie frischgeprägte Münzen.
Sie fragte sich, wieviel ihre eigenen Augen verrieten, und wußte, daß sie sofort gehen mußte.
»Gute Nacht, Monsieur«, sagte sie mit trockener Kehle.
Als sie sich umdrehte, hielt er sie am Handgelenk fest. »Gehen Sie nicht«, sagte er hastig. »Oder besser, gehen wir zusammen.«
Sie machte sich los. »Es tut mir leid, aber ich habe bereits andere Pläne.«
Von einer der Kerzen tropfte heißes Wachs auf ihre Wange. Sie hob die Hand, aber seine Finger waren schneller und rieben die Fragmente von getrocknetem Wachs fort. »Kommen Sie mit mir.
Ihre ›Pläne‹ können bestimmt eine Stunde warten.«
Er sprach mit der ruhigen Zuversicht eines Mannes, der keinen Zweifel daran hatte, daß er sie in einer Stunde alle anderen Verpflichtungen vergessen machen konnte. Aber ihre waren wichtiger als bloße sexuelle Lust, so verlockend der Gedanke auch war. Sie schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid, Monsieur, aber meine Ehre verbietet es. Vielleicht ein andermal.«
Sie merkte gerade noch rechtzeitig, was er vorhatte. Bevor er ihr die Maske abnehmen konnte, wehrte sie mit dem Fächer seine Hand ab, so daß die elfenbeinernen Stäbe zersplitterten und die zarte Spitze riß. »Versuchen Sie nicht, die Regeln zu brechen, Monsieur«, sagte sie schroff.
»Die Intimität, die eben zwischen uns entstanden ist, war nur möglich, weil wir maskiert sind. Wenn ich Sie nicht’ zufriedenstelle, suchen Sie die Dame, an die ich Sie erinnere. Vielleicht ist sie zuvorkommender.«
»Ich frage mich immer noch, ob ich sie gefunden habe«, sagte er weich. »Die Erscheinung mag eine andere sein, aber das Feuer ist dasselbe.
Kann es mehr als eine Frau geben, die in so hellem Glanz erstrahlt und solche Begierde erweckt?«
0 Gott. Trotz ihrer Anstrengungen war Strathmore mehr als halb von ihrer Identität überzeugt. Aber nicht ganz, wenn er es gewesen wäre, hätte er sie bereits von der Tanzfläche in eine privatere Umgebung verschleppt.
Angriff war sicherer als Verteidigung. Sie stieß einen sehr französischen Fluch aus, den sie von einem Pariser Kindermädchen gelernt hatte, und wandte sich mit wirbelndem Domino ab. »Sie werden ermüdend, Monsieur. Belästigen Sie mich nicht weiter.«
Während sie sich von ihm entfernte, konnte sie seinen durchbohrenden Blick im Rücken spüren.
Sie brauchte all ihre Willenskraft, um nicht loszurennen. Nur das Bewußtsein, daß Flucht seinen Verdacht bestätigen würde, machte ihren Gang langsam und
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