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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Frage?«
    Winter lächelte und stand auf.
    »Führen Sie mich zu meiner Suite«, sagte er.
    Die Suite lag im Parterre, mit Fenstern nach Osten und auf den stillen Innenhof. Die Wohnung hatte ein Schlafzimmer mit zwei Betten, ein Wohnzimmer und eine große Kochnische mit Eßplatz. Das Badezimmer war funktional und somit ungewöhnlich für englische Verhältnisse: Die Hähne ließen sich ohne Vorstudien im Rohrverlegungssystem der Antike drehen.
    Er zog Sakko und Hemd aus und wollte sich gerade unter den Armen waschen, als er beschloß, sich ganz auszuziehen und unter die Dusche zu stellen. Der Tag könnte lang werden.
    Mit dem Handtuch um die Taille rief er vom Wandtelefon aus an. Er war erst seit fünfzehn Minuten im Zimmer. Es war halb zwei am Nachmittag. Er hatte die Vorhänge aufgezogen. Das Appartement war heller, als er es von früheren Besuchen in Erinnerung hatte. Vielleicht lag es am Frühling. Durch das Fenster konnte er ein Stück Himmel sehen, blau gegen die verrußten Fassaden dort oben.
    »Four Area South-east Major Investigation Pool, Detective Constable Barrow«, antwortete eine weibliche Stimme.
    »Hier ist Kriminalkommissar Erik Winter aus Schweden, und ich suche Kommissar Steve Macdonald.«
    »Einen Augenblick«, sagte die Stimme, keine Nuancen im Ton, keine Neugier.
    Winter hörte Gemurmel im Hörer. Die Frau sagte etwas zu jemandem neben ihr. Es kratzte in Winters Ohr.
    »Macdonald.«
    »Winter hier.«
    »Ah, Winter. Wieder was dazwischengekommen?«
    »Ich bin in London.«
    »Gut. Wo sind Sie?«
    »In meinem Hotel. Earl's Court.«
    »Ich kann einen Wagen schicken. Aber das dauert ein Weilchen.«
    »Geht es nicht genauso schnell mit British Rail?«
    »Das hängt davon ab, ob man weiß, wohin man will.«
    »Wenn Sie jetzt unten in Thornton Heath sind, dann weiß ich, wie ich hinkomme«, sagte Winter, »nach meinem Plan geht der Zug von Victoria ab.«
    »Es dauert fünfundzwanzig Minuten«, sagte Macdonald, »eine Fahrt durch einige der schönsten Fleckchen auf der Erde.«
    »Da fällt die Wahl leicht.«
    »Sie nehmen die District Line von Earl's Court direkt nach Victoria, das sind nur ein paar Stationen.«
    »Ich weiß.«
    »Sie wissen offenbar alles?« sagte Macdonald, und Winter hörte heraus, daß er bereits zu dem Schluß gekommen war: Hier kommt ein Bruder Tüchtig aus Skandinavien.
    »Natürlich«, sagte Winter.
    »Rufen Sie an, wenn Sie in Thornton ankommen, dann schicke ich einen Wagen zum Bahnhof«, sagte Macdonald und legte auf.
    Winter stand an der Victoria Station, um sich herum die große Welt. Wenn man in diesem Moment in den Orientexpreß steigen könnte, dachte er. Eine stille Ermittlung an Bord, alle Verdächtigen im Büfettwagen versammelt.
    Nirgendwo spürte man die Weltstadt so hautnah wie an diesem Bahnhof. Winter stand vor den südlichen Ausgängen, den Blick nach oben zu den durchlaufenden Angaben über die Abfahrten nach rechts und links: Jetzt kam die Anzeige über den Zug nach Tattenham Corner, mit Halt in Thornton Heath.
    Er stieg in den fast leeren Wagen ein. Der Zug ruckte an und fuhr langsam aus dem Bahnhof. Hinter den Schornsteinen am Fluß glühte der Himmel. Sie fuhren über das Wasser und hielten in Battersea Park: roter Ziegel, Graffiti, aber weniger, als er geglaubt hatte, ein Warten auf den Bänken. Es war so still da draußen.
    Entlang den Linien ist es immer still, dachte Winter, nicht nur hier, sondern überall, wo Menschen reisen. Sie sind nur für einen Augenblick fort, sie sind nicht zu Hause und nicht bei jemand anderem. Sie, oder wir, befinden sich mitten in einem Nirgendwo des Reisens, das still ist und voller Unlust scheint, wortlos ist es, und es besteht vor allem aus Warten.
    Es war, als hätten ihn die Reise und die Sonne traurig gemacht. Er dachte an den Zweck seiner Reise hierher nach London und nun in die südlichen Teile dieser Metropole.
    Der Tod fuhr mit auf dieser Reise. Er empfand, was er zu Beginn der Ermittlung empfunden hatte: Sie hatten nur den Anfang gesehen. Die Fortsetzung war wortlos, unbeschreibbar in ihrer Bösartigkeit. Ihm war, als führe er in das Böse hinein, unabhängig davon, welche Richtung er wählte. Er war allein, er fühlte mit einemmal, daß er zu nichts Vertrauen hatte.
    Vor den Fenstern des Wagens lag das südliche London, in Reiseführern nie beschrieben, von Fremden selten besucht. Er war selbst nur bei wenigen Gelegenheiten südlich des Flusses gewesen und da auch nicht weiter als bis Putney und Barnes, nahe der

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