Tanz um Mitternacht
hatte er niemanden. Deshalb wurde ich sehr schnell erwachsen.«
»Wie ich höre, haben Sie mit Ihrem Vater weite Reisen unternommen.«
Cait nickte und spürte seinen prüfenden Blick. Plötzlich fiel es ihr schwer zu atmen. Sie holte tief Luft und zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln. »Bevor wir nach Ägypten fuhren, erforschte mein Vater die Ausgrabungen von Pompeji. Etwas später arbeitete er mit einem dänischen Gelehrten namens Munter zusammen, um die Keilschriften zu übersetzen, die man im alten Persepolis gefunden hatte. Diese Tätigkeit führte uns in die Niederlande und auf Umwegen nach Den Haag, wo mein Vater Informationen über die Halskette sammelte.«
»Und schließlich auf die Insel vor der afrikanischen Küste...«
»Ja.«
»Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie die letzten beiden Jahre auf Santo Amaro verbracht.«
»Teilweise lebten wir auch in Dakar.«
Der Duke schwieg, schien aber über Caits Erklärung nachzudenken.
»Sehen Sie, jetzt stehen die Pferde am Start!« Um seinem durchdringenden Blick endlich zu entrinnen, zeigte sie zur Rennbahn.
»Gleich geht’s los«, bemerkte er so beiläufig, als würde ihn der Gewinn oder der Verlust von zehntausend Pfund nicht sonderlich interessieren. »Die Strecke ist nur anderthalb Meilen lang. Manchmal müssen die Pferde vier Meilen bewältigen. Einer solchen Belastung sind nur die Besten gewachsen.«
Im Rhythmus der Pferdehufe hämmerte Caits Herz jetzt gegen die Rippen. An ihrer Seite rutschte Elizabeth nervös auf ihrem Sitz umher. »Komm schon, Harry, du schaffst es!« Nicholas drückte ihre Hand, und sein Lächeln schien sie zu liebkosen. Da neigte er sich zu ihr und flüsterte, daheim würden sie einen anderen, noch viel schöneren Ritt genießen. Ein rosiger Hauch überzog spontan ihr Gesicht.
Auch Caitlin errötete und hörte sofort einen spöttischen Kommentar des Dukes. »Das war sicher nicht für Ihre Ohren bestimmt, Miss Harmon.«
Unverwandt starrte sie zur Rennbahn. »Nein, wohl kaum.« Seite an Seite stürmten die Pferde der ersten Kurve entgegen, von den Jockeys angespornt. Beide Tiere boten einen imposanten Anblick. In der warmen Frühlingssonne glänzte das Fell über dem kraftvollen Muskelspiel. Nun bogen sie auf die Gegengerade. Als Chimera einen kleinen Vorsprung gewann, richtete sich Cait atemlos auf. Dann raste Sir Harry an dem Rappen vorbei und blieb vor der nächsten Kurve in Führung. Mit langen starken Beinen vergrößerte er den Abstand zu seinem Gegner.
Tief über die Pferdehälse gebeugt, bewegten sich die Jockeys fast so anmutig wie die schönen Tiere. Zahlreiche Zuschauer füllten die Tribünen. In letzter Minute wurden Zusatzwetten abgeschlossen. Cait spürte, wie die Erregung ringsum wuchs, und lauschte dem Stimmengewirr, das immer lauter anschwoll. Kurz vor der Zielgeraden donnerten die Hufe ohrenbetäubend und wirbelten dichte Staubwol-ken auf. Jetzt war Chimera um eine Länge vorn. Aber Sir Harry gab sich nicht geschlagen. Schnell wie der Wind flog er dahin.
Cait biss in ihre Lippen. Inständig hoffte sie, Beldons Fuchs würde siegen. Während die Jockeys an den Tribünen vorbeigaloppierten, ließen sie ihre Peitschen knallen, und das Publikum sprang auf. Noch sechs Längen bis zum Ziel. Fünf. Vier. Drei.
»Jetzt überholt Sir Harry den Rappen!« Cait umfasste den Unterarm des Dukes, ihre Finger gruben sich in seinen Ärmel, spürten die harten Muskeln. »O Rand, er wird gewinnen!«
»Sieht so aus«, bestätigte er mit rauer Stimme. Aber als sie sich zu ihm wandte, verfolgte er nicht das Rennen. Stattdessen betrachtete er ihre Lippen, und sie glaubte, die Glut in seinen Augen müsste die pflaumenblaue Seide ihres Kleids versengen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihn mit seinem Vornamen angesprochen hatte. Verlegen senkte sie den Kopf. Trotzdem fühlte sie immer noch seinen Blick, der in die Tiefen ihrer Seele zu dringen schien. Noch nie war ihr ein Mann begegnet, der sie so bezwingend gemustert hatte.
Endlich erreichten die Pferde das Ziel, und Sir Harry siegte mit einer Nasenlänge vor Chimera - von Cait, Elizabeth und der Hälfte aller Zuschauer mit stürmischem Jubel gefeiert.
Strahlend lächelte Cait den Duke an. »Nun haben Sie doch noch gewonnen!«
»Um ehrlich zu sein, der Ruhm gebührt Sir Harry«, betonte er. »Bevor ich die Börse nach Hause mitnehmen kann, muss er’s noch einmal schaffen.«
Sie beobachteten, wie Sir Harrys Jockey im Kreis ritt, um das Pferd vor dem
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