Tanz um Mitternacht
Absichten viel zu deutlich. Und ich fürchte, sie sind nicht besonders ehrenwert.«
Rand lachte leise, kein bisschen verblüfft, weil Nick seine Gedanken erriet. Seit dem gemeinsamen Studium in Oxford waren sie eng befreundet. Auch in den schweren Zeiten, die hinter Nicholas lagen, hatte Beldon stets zu ihm gehalten. Zwischen ihnen gab es nur wenige Geheimnisse.
»Dass ich Cait Harmon sehr reizvoll finde, will ich nicht leugnen«, erwiderte Rand.
»Soviel ich weiß, sammelst du Informationen über Talmadge. Wenn du Cait nur als Mittel zum Zweck benutzt, wäre es verdammt unfair.«
»Ob sie an den üblen Machenschaften beteiligt ist, haben wir noch nicht herausgefunden. Vielleicht steckt sie bis zu ihrem hübschen Hals in den neuesten Gaunereien des Barons.«
»Du kannst ihm nach wie vor nichts nachweisen. Eventuell wird Professor Harmons Expedition völlig legal abgewickelt.«
»Wohl kaum«, entgegnete Rand, während sie über den Rasen zum Sattelplatz schlenderten. »Du hast den Bericht gelesen. Obwohl Talmadges Kunden mit ihren Investments seit Jahren Fehlschläge erleiden, scheint er ebenso wie seine Partner eine Menge Geld zu machen. Jetzt hat er sich mit Dr. Harmon zusammengetan. Dafür kann es nur einen einzigen Grund geben.«
»Und Caitlin?«
»Mag es auch undenkbar erscheinen, dass sie bei Rutherfords Betrügereien ihre Hände im Spiel hat - es wäre möglich. Jedenfalls könnte sie sich, wie du bereits angedeutet hast, als nützlich erweisen. Ganz egal, ob sie mit ihrem Vater oder Talmadge unter einer Decke steckt.«
»Glaub mir, das Mädchen ist unschuldig. Außerdem bist du auf dem Heiratsmarkt nicht verfügbar. Und wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hast du mich einmal vor allzu intensiven Flirts mit unverheirateten jungen Damen gewarnt.«
»Caitlin stammt aus Amerika. Dort sind die Frauen nicht so prüde wie in England.«
»Willst du deine unlauteren Pläne damit rechtfertigen? Ist Cait Freiwild, nur wegen ihrer großzügigen Moralbegriffe?«
Ärgerlich runzelte Rand die Stirn. »So habe ich’s nicht gemeint.«
»Wie denn sonst?«
»Zu deiner Beruhigung - ich möchte ihr nicht zu nahe treten, wenn es ihr widerstreben würde. Andererseits scheint sie zu tun, was ihr beliebt, und genau zu wissen, welche Wünsche ihr das Leben erfüllen soll. Falls diese Vermutung zutrifft, könnte sich die Situation ändern.«
»Was für doppelzüngige Worte, Rand! Du begehrst sie und willst sie erobern. Gewiss, nachdem ich in einer ähnlichen Lage war, darf ich dich nicht kritisieren. Ich warne dich nur. Sei vorsichtig. Cait verdient es nicht, verletzt zu werden.«
Darauf gab Rand keine Antwort. Aber er zog die Brauen zusammen. Natürlich würde er niemals einen Vorteil aus der Unschuld eines jungen Mädchens ziehen. Wenn er seine Emotionen auch sorgsam verbarg, zu seinem Wesen gehörten auch sanftmütige Züge. Und er wollte Cait keineswegs wehtun. Aber da er sich für den Selbstmord seines Vetters verantwortlich fühlte, musste er die Bekanntschaft mit der Amerikanerin nutzen, um herauszufinden, was wirklich geschehen war.
Cait saß neben ihrem Vater auf einem Sofa im kleinen Salon der Suite, die Baron Talmadge im Grillon’s Hotel an der Albemarle Street gemietet hatte. Im französischen Stil eingerichtet, wurden die Räume von Olivgrün- und Goldschattierungen beherrscht, mit schweren Samtvorhängen und marmornen Tischplatten. Alles in England wirkte unglaublich elegant und reich verziert. Aber vielleicht wusste Caitlin diesen auffallenden Luxus nach dem mangelnden Komfort ihrer Reisen ganz besonders zu würdigen.
»Was meinen Sie, Phillip?« Die Frage ihres Vaters unterbrach ihre Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch.
»Leider sind wir noch weit von unserem Ziel entfernt«, erwiderte Talmadge. »Ihre Ausrüstung ist ziemlich antiquiert, Donovan, und wir brauchen Geld für Vorräte, die mindestens ein Jahr lang reichen sollten. Außerdem müssen wir Gepäckträger und Arbeiter engagieren, die Kosten für unsere persönlichen Bedürfnisse bestreiten - Kleidung, Stiefel und so weiter...« Der Baron saß an einem kleinen französischen Schreibtisch, studierte eine Liste und fügte hin und wieder einen Rechnungsposten hinzu. Im Licht einer Öllampe aus Messing schimmerten die Silberfäden in seinem braunen Haar. »Für Sir Geoffrey ist das alles neu.« Damit meinte er den Spender, den er erst vor kurzem gewonnen hatte - Geoffrey St. Anthony, den zweiten Sohn des
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