Tanz um Mitternacht
Lord Trent mich auf ihren Landsitz in Sussex eingeladen. Alles ist schon vereinbart. Wenn ich in letzter Minute absage...«
»Fahren wir an diesem Wochenende nach River Willows.« Beschwörend ergriff er ihre Hand. »Glaub mir, du wirst es nicht bereuen.«
Weil ihre Kehle wie zugeschnürt war, konnte sie nur nicken. Sie bebte am ganzen Körper. Nein, sie würde es nicht bereuen. Ihr Leben hatte sie dem Vater und seiner Arbeit geweiht. Daran würde sich nichts ändern. Aber sie verdiente ein paar Stunden, die nur ihr selbst gehörten.
Und so ignorierte sie die innere Stimme, die ihr warnend zuflüsterte, sie würde teuer für ihre Dummheit bezahlen -zweifellos einen sehr hohen Preis.
Phillip Rutherford, Baron Talmadge, saß am kleinen französischen Schreibtisch in seiner Hotelsuite im Grillon’s an der Albemarle Street. Sorgsam studierte er die Liste der Männer, die er veranlasst hatte, größere Summen für Professor Harmons Suche nach Kleopatras Halskette zu spenden. Da er sein Geschäft verstand, war es eine sehr lange Liste.
Schon seit Jahren nahm er seinen reichen Bekannten Geld ab - seit er den wertlosen Adelstitel seines Bruders geerbt hatte. Davor war er Zahlmeister in der Navy Seiner Majestät gewesen. Nebenbei hatte er ein bisschen auf dem Schwarzmarkt gehandelt, Navy-Vorräte von ihrem Ziel abgeleitet und an den jeweils Meistbietenden verkauft. Doch das Risiko war zu groß gewesen, die Strafe, falls man ihn ertappt hätte, zu hoch.
Zunächst hatte er den Tod seines Bruders für ein Himmelsgeschenk gehalten. Aber bedauerlicherweise stellte er später fest, dass Victor den letzten Rest des geringen Familienvermögens verspielt und ihm einen Schuldenberg hinterlassen hatte. Zum Glück nutzten ihm seine beträchtlichen, bei der Navy erworbenen betrügerischen Fähigkeiten in seiner Rolle als Baron und Mitglied der reichen Aristokratie.
Wie leichtgläubig diese Leute sind, dachte er feixend. Darüber staunte er immer wieder. Vielleicht, weil die meisten ihr Geld geerbt hatten und nicht wussten, wie man damit umging - oder sie ahnten nicht einmal, wie viel sie besaßen. Wenn sie mit den Investments, die er ihnen »vorschlug«, Fehlschläge erlitten, zuckten sie nur die Achseln. Und natürlich glaubten sie alle, er hätte bei diesen Transaktionen genauso viel verloren.
Sein letztes Unternehmen, Merriweather Shipping, hatte ihm einen beachtlichen Profit eingebracht. Jetzt war die Partnerschaft mit Sinclair und Morris beendet, da sich die beiden auf lukrativeren Gebieten herumtrieben. Man konnte nur eine gewisse Anzahl von Schiffen untergehen lassen, ohne Verdacht zu erregen.
Doch das Schicksal blieb ihm wohlgesinnt. Während seines kurzen Forschungsurlaubs in Amerika hatten sich die Wogen um die vermeintliche Merriweather-Katastrophe geglättet, und er war dem Professor begegnet - und natürlich dessen schöner Tochter.
Anfangs hatte er geglaubt, es wäre ein zusätzlicher Bonus, mit der temperamentvollen rothaarigen Caitlin Harmon zu schlafen. Leider zeigte sie kein Interesse an ihm, abgesehen von der geschäftlichen Verbindung. Damit hatte er sich inzwischen abgefunden. Das erhoffte Vermögen erschien ihm viel wichtiger.
Triumphierend betrachtete er die eindrucksvolle Endsumme der gesammelten Spenden. Viel mehr Geld, als die Expedition tatsächlich erfordern würde - und genug, so dass Phillip einen erfreulichen Betrag für sich selbst abzweigen konnte...
Ein angenehmer Nebeneffekt - doch er hatte sich aus einem viel bedeutsameren Grund auf dieses Projekt gestürzt. Natürlich war die Halskette unschätzbar. Aber der alte Mann erwähnte nur selten die anderen Gegenstände, die sich angeblich an Bord der Zilverijder befanden. Silbermünzen, wertvolle Juwelen, die der holländische Kapitän des Sklavenschiffs und seine Besatzung entlang der afrikanischen Küste gestohlen hatten. Keine antiken Kostbarkeiten. Trotzdem würde man eine Menge Geld dafür bekommen.
Wenn die Halskette gefunden wurde - und Phillip zweifelte nicht daran - , müsste er auch daran einiges verdienen. Genug, um zu verschwinden und auf einer tropischen Insel in den West Indies wie ein König zu leben...
Er legte die Liste beiseite, die er studiert hatte, lehnte sich in seinem Sessel zurück und dachte an den Professor. Den ersten Teil seines Plans hatte Phillip so gut wie verwirklicht. Erstaunlich, wie rückhaltlos der alte Mann ihm vertraute... Was habe ich eigentlich an mir, überlegte er. Was ist es, das die Menschen
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