Tanz um Mitternacht
Leid, Maggie, ich wollte euch wirklich begleiten. Aber ich habe die Dokumente im Museum vergessen, die ich studieren muss. Darum hat mein Vater mich gebeten. Diese Informationen sind sehr wichtig für ihn. Leider wird’s einige Zeit dauern, bis ich alles beisammen habe.«
Enttäuscht senkte Maggie den Blick, und Caitlin fühlte sich elend. Seit wann konnte sie so gut lügen? Und warum war sie bereit, so weit zu gehen?
»Wenn du nicht mitkommen kannst, sollten Andrew und ich vielleicht auch hier bleiben«, meinte Maggie.
»Sei nicht albern! Tagelang hast du dich aufs Land gefreut. Außerdem verdient ihr beide mal ein Wochenende zu zweit.«
Besorgt kaute Maggie an ihrer Unterlippe und zog die blonden Brauen zusammen. »Also, ich weiß nicht - ich finde es nicht richtig, dich allein zu lassen.«
»Mach dir deshalb keine Gedanken.« Cait zwang sich zu einem Lächeln und schlang die bebenden Finger ineinander. Das Lügen fiel ihr doch nicht so leicht. »Da ich alle Hände voll zu tun habe, werde ich eure Abwesenheit wohl kaum bemerken.«
Maggie schaute durch den Flur zum Arbeitszimmer, wo Andrew vor der Abreise noch ein paar Papiere ordnete. »Natürlich habe ich mich auf diese Tage gefreut. Und wenn ich meinen Mann ganz für mich habe...« Viel sagend verdrehte sie die Augen. »Ach, du ahnst nicht, was mir das bedeutet...«
Diesmal bemühte sich Cait vergeblich um ein Lächeln. Vorerst konnte sie sich’s noch nicht vorstellen. Aber am nächsten Morgen... Was zwischen einem Mann und einer Frau während einer Liebesnacht geschah, hatte sie in mehreren Büchern gelesen. Außerdem würde sie die Kunstwerke in Pompeji niemals vergessen. Trotzdem fiel es ihr sehr schwer, sich auszumalen, was sie erleben würde.
Mit sanfter Gewalt schob sie Maggie zur Treppe. »Geh schon nach oben, pack den Rest deiner Sachen, und dann werdet ihr beide verschwinden.« Impulsiv fiel Maggie ihr um den Hals, dann rannte sie die Stufen hinauf. Von heftigen Schuldgefühlen geplagt, schaute Cait ihr nach. Sie verstanden sich so gut. Und Freundinnen durften einander nicht belügen.
In der Eingangshalle begann die reich geschnitzte Großvateruhr zu schlagen. Noch zwei Stunden, dann würde sie der Haushälterin Mrs. Beasley erklären, Sarah Whittaker, die Tochter von einem Freund ihres Vaters, habe ihr geschrieben und um ihren Besuch an diesem Wochenende gebeten.
»Am besten erzählen Sie Lady Trent nichts davon«, fügte Cait hinzu, als es soweit war. »Sie wissen ja, wie sie sich aufregt, wenn ich allein unterwegs bin.«
Missbilligend nickte die Haushälterin. Die Unabhängigkeit der jungen Amerikanerin gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, ebenso wie der übrige Haushalt. »Was immer Sie wünschen, Miss«, erwiderte sie etwas bissig.
Zwanzig Minuten später fuhr Cait zum Britischen Museum und hoffte, Rands Kutsche würde bereits vor dem Eingang warten. Als sie ihr Ziel erreichte, pochte ihr Herz viel zu schnell, ihre Handflächen fühlten sich feucht an, und sie umklammerte die Henkel ihrer Gobelin-Reisetasche so fest, dass ihre Finger verkrampften.
Die Droschke hielt. Hastig zog Cait die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf und stieg auf das Pflaster der Great Russell Street, gab dem Fahrer einen Shilling und schaute sich nach Rand um. Aus den Augenwinkeln entdeckte sie ihn. Mit langen Schritten eilte er zu ihr. Wie immer sah er umwerfend aus, und der Atem blieb ihr schier in der Brust stecken.
»Da bist du...« Erleichtert griff er nach ihrer Reisetasche. »Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest.«
»O Rand - ich auch nicht«, gestand sie und lächelte schwach.
Er wollte ihr die Tasche abnehmen. Aber ihre Finger ließen die Henkel nicht los. Auch der zweite Versuch blieb erfolglos. Erstaunt musterte er Caits Gesicht. »Großer Gott, du fürchtest dich ja zu Tode! Du bist leichenblass und zitterst am ganzen Körper.«
Einer Ohnmacht nahe, fuhr sie mit der Zunge über ihre Lippen. »Alles in Ordnung...«
»Keineswegs«, widersprach er bestürzt, schlang einen Arm um ihre Taille und führte sie zu einem schlichten schwarzen Wagen, den sie erst jetzt bemerkte. »Aber ich verspreche dir, mein Liebling, bald wirst du deine Angst überwinden.« Er half ihr einzusteigen und gab dem Kutscher ein Zeichen. Statt ihr gegenüber Platz zu nehmen, setzte er sich zu ihr, zog sie auf seinen Schoß und hielt sie so behutsam in den Armen, als bestünde sie aus kostbarem Porzellan. »Glaub mir, du
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