Tanz um Mitternacht
brachten sie von ihrem Entschluss ab.
Jedenfalls musste sie irgendwas unternehmen. Heiliger Himmel, sobald ihr Vater von dem namenlosen Baby erfuhr, würde er in tiefste Verzweiflung geraten. Natürlich würde der Skandal seinen makellosen Ruf ruinieren. Die Schande seiner Tochter würde alles überschatten, wofür er jahrelang gearbeitet, was er in mühsamen Studien erreicht hatte. Und das arme, unschuldige Kind? Als Bastard geboren, von der Gesellschaft verachtet...
Trotz der milden Nachtluft begann Cait zu frösteln. Könnte sie doch jemanden um Rat bitten... In ihrer Phantasie erschienen Maggie Suttons fröhliche blaue Augen, und sie wünschte inständig, die beste Freundin, die sie jemals gewonnen hatte, würde ihr beistehen. Aber Maggie lebte ahnungslos im fernen London.
Mir wird schon was einfallen, sagte sie sich energisch. Und was ich tun muss, soll geschehen... Eins stand fest - sie würde das Kind behalten. Schon immer hatte sie Kinder geliebt - und nie zu hoffen gewagt, eines Tages das Glück der Mutterschaft zu genießen. Jetzt erfüllte ihr das Schicksal diesen Herzenswunsch. Von heißer Liebe zu ihrem ungeborenen Baby erfasst, schwor sie sich, alles zu tun, um dieses kleine Wesen zu schützen.
Nach einer Weile verließ sie das Zelt, ignorierte die schmerzhaften Krämpfe in ihrem Magen und blickte zum klaren Nachthimmel auf.
Wie würde Rand eine so schöne Sternennacht verbringen? Dachte er manchmal an die Frau, mit der er so überwältigende Liebesfreuden geteilt hatte? Erinnerte er sich überhaupt noch an ihren Namen?
Maggie las zum zweiten Mal den Brief, der soeben aus Santo Amaro eingetroffen war. Dabei wanderte sie nachdenklich im hellgelb tapezierten Damenzimmer umher, das an der Rückfront des Stadthauses lag und einen Ausblick auf den Garten bot.
Einen ganzen Monat hatte die Schiffsreise des Briefs gedauert. Bei seiner Ankunft war Maggie so aufgeregt gewesen, dass sie das Siegel sofort erbrochen und mit der Lektüre begonnen hatte. Den ersten Teil des Schreibens fand sie sehr erfreulich. Auf der Insel herrschte angenehmes Wetter. Inzwischen waren einige Schätze geborgen worden, die sich im Wrack der Zilverijder befunden hatten. Also durften sich die Forschungsreisenden reelle Chancen ausrechnen, die Halskette der Kleopatra zu finden.
Erst der letzte Absatz, mit zitternder Hand geschrieben, erfüllte Maggie mit tiefer Sorge um ihre Freundin.
Nur dir vertraue ich mich an, liebste Maggie, denn du bist meine engste Freundin und Vertraute. Ich bitte dich, mein Geheimnis zu hüten. Versprich es mir bei deiner Ehre , bei deinem Glück an Andrews Seite. Es widerstrebt mir, eine solche Last auf deine Seele zu laden. Aber ich bin verzweifelt, und es gibt niemanden, an den ich mich sonst wenden könnte.
Als Maggie die nächste Zeile las, sank sie in einen gelb gestreiften Polstersessel.
Ich erwarte Rands Kind.
In ihren bebenden Händen zerknitterte das dünne Papier, und die feine blaue Handschrift war noch schwieriger zu lesen. Cait teilte ihr mit, sie würde den Duke nicht über ihre Schwangerschaft informieren und erklärte ihre Gründe -unter anderem, dass weder er noch sie selbst heiraten wollten. Außerdem musste sie sich um ihren alten Vater kümmern, der ihren Beistand dringend brauchte.
Meine liebe Maggie, ich flehe dich an - geh nicht zu streng mit uns ins Gericht. Ich glaube, Rand mochte mich auf seine Art, und ich empfinde sehr viel für ihn. Trotzdem sind wir nicht füreinander bestimmt.
Dann fügte Cait hinzu, wie innig sie das Baby schon jetzt liebe. Irgendwie würde sie das Problem lösen.
Danke, dass du diese Zeilen gelesen hast, liebste Maggie, lauteten die letzten Worte. Wie viel mir deine Freundschaft bedeutet, kannst du gar nicht ermessen. In tiefer Zuneigung, Caitlin Harmon.
Maggie merkte nicht, dass sie weinte, bis Tränen über ihre Wangen rollten. Geistesabwesend wischte sie mit einem Handrücken über ihr Gesicht und rang nach Luft. O Gott, die ganze Zeit hatte sie befürchtet, was nun geschehen war. Und Cait saß auf einer fernen Insel fest, wo ihr niemand helfen würde. Verzweifelt fragte sich Maggie, warum Rand nicht auf sie gehört hatte.
Weil er Cait liebte, weil seine Gefühle erwidert wurden. Das wusste Maggie schon längst, obwohl die beiden zu blind gewesen waren, um die Wahrheit zu erkennen. In wenigen Monaten würde das Kind dieser Liebe zur Welt kommen. Und weil es bornierte Eltern hatte, würde es seinen Vater niemals kennen lernen.
Schweren Herzens
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