Tanz um Mitternacht
las Maggie den letzten Teil des Briefs zum dritten Mal. Von heißem Mitleid erfasst, überlegte sie, wie sie Cait helfen könnte. Wenn sie zu Rand ging und das intime Geheimnis ausplauderte, würde sie das Vertrauen ihrer Freundin missbrauchen. Nicht einmal mit Andrew durfte sie darüber sprechen.
Also blieb ihr nichts anderes übrig, als Cait zu schreiben. Vielleicht gelang es ihr, die Freundin umzustimmen und ihr klarzumachen, es sei Rands gutes Recht, von seiner Vaterschaft zu erfahren. Mehr konnte Maggie nicht tun.
Wie so oft in letzter Zeit fühlte sich Rand rastlos. Seit Monaten langweilten ihn die endlosen Partys und unbedeutenden Flirts, die er früher genossen hatte.
Vor ein paar Wochen, nach der Rückkehr aus Ravenworth Hall, hatte er entschieden, allmählich wäre es an der Zeit, die
Pflichten eines Dukes zu erfüllen und einen Erben zu zeugen. Dieser Gedanke war ihm gekommen, als er Nick, Elizabeth und ihren kleinen Sohn beobachtet hatte. Vielleicht würde eine Familie seinem leeren Leben einen neuen Sinn
geben.
Aber wo sollte er eine passende Ehefrau finden ? Keine der jungen Damen auf dem derzeitigen Heiratsmarkt erregte sein Interesse. Zurzeit zählte Margaret Foxmoor, eine gertenschlanke Blondine mit hellem Teint, zu den besten Partien. Auch Vera Petersmith, die rehäugige brünette Tochter des Marquess of Clifton, würde eine beachtliche Mitgift erhalten und den Ansprüchen eines Dukes genügen. Beide Mädchen entstammten erstklassigen Familien und hatten eine ausgezeichnete Erziehung genossen. Fügsam und sanftmütig würden sie alle seine Befehle befolgen. Trotzdem konnte er sich weder die eine noch die andere als seine Ehefrau vorstellen.
Seufzend stand er am Rand der Tanzfläche im Ballsaal des Earl of Dryden und beobachtete Lady Margaret, die gerade einen Kontertanz mit dem Viscount Brimford absolvierte. Seit Rand beschlossen hatte, den Heiratsmarkt zu erforschen, benahm er sich untadelig. Aber jetzt sehnte er sich plötzlich nach nächtlichen Ausschweifungen in Madame Tusseaus Etablissement, wo er wenigstens zeitweise seinen Kummer und die künftigen Pflichten vergessen konnte.
Statt diesen Trost zu genießen, ließ er seinen Blick über die jungen Damen im Ballsaal schweifen und versuchte, sie nicht mit Caitlin Harmon zu vergleichen. Wenn er das tat, würde er erhebliche Mängel entdecken. Das wusste er aus Erfahrung. Wieder einmal fragte er sich, wie es ihr ergehen mochte, und er hoffte inständig, auf der einsamen Insel würde ihr keine Gefahr drohen. Oder bereitete ihr Phillip Rutherford irgendwelche Schwierigkeiten?
In dieser Hinsicht hatten die letzten Gespräche des Dukes mit seinem Anwalt Ephram Barclay zu keinem Ergebnis geführt. Die Betrügereien des Barons ließen sich noch immer nicht beweisen, ebenso wenig wie zum Zeitpunkt seiner Reise nach Santo Amaro.
Ärgerlich presste Rand die Lippen zusammen. Früher oder später mussten irgendwelche Anhaltspunkte auftauchen. Aber selbst wenn das endlich geschah - Talmadge war viele tausend Meilen weit entfernt oder vielleicht schon längst in ein unbekanntes Versteck geflohen. Dann könnte man ihn nicht zur Rechenschaft ziehen, und alle Mühe wäre umsonst gewesen.
»Guten Abend, mein Freund. Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen.« Erfreut drehte er sich zu Maggie Sutton um, die nur wenige Schritte entfernt stand. »Ah, guten Abend, meine Liebe. Hast du mich gesucht?«
Maggies Lächeln erreichte ihre Augen nicht, und Rand spürte ihre innere Anspannung. »Vorhin fuhr ich zu deinem Haus, und der Butler erklärte deinem Kammerdiener, ich müsste dich sprechen. Da erzählte mir Mr. Fox, du würdest vermutlich die Soiree des Earls besuchen.«
»Wo ist Andrew?« Er schaute sich um, und da er den Marquess nirgends entdeckte, begann er sich zu sorgen. Offensichtlich gab es ernsthafte Probleme.
»Heute Abend spielt er in seinem Club Karten. Ich kam allein hierher. Bitte, Rand, ich muss mit dir reden. Ungestört... Seit Tagen versuche ich, genug Mut aufzubringen. Und da Andrew ausgegangen ist, dachte ich, die Gelegenheit wäre günstig.« Maggie bemühte sich wieder um ein Lächeln, mit noch geringerem Erfolg als zuvor, und Rand sah bestürzt, dass sie am ganzen Körper zitterte. Beunruhigt legte er einen Arm um ihre Taille und führte sie auf die Terrasse.
Zum Glück war die breite Veranda oberhalb des Gartens fast menschenleer. In einer stillen Ecke, unter einer lodernden Fackel, schaute Rand prüfend in Maggies Augen.
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