Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
durchmessenden Lichtkegel zu erzeugen, der zwar den Weg vor ihm erhellte, an der ersten Baumreihe links und rechts des Wegesrandes indes schon endete. Die beinahe stoffliche Finsternis zwischen den Stämmen blieb undurchdringlich. Es schien ihm beinahe, als würden die Schatten nur widerstrebend der Helligkeit weichen, als wären sie lebendig und von einem eigenen, finsteren Geist beseelt. Wer weiß, vielleicht waren sie es wirklich.
Ammenmärchen! , schalt sich Tarean. Und dennoch konnte er ein Schaudern nicht unterdrücken, während er in die zunehmende Stille hineinwanderte, die nur gelegentlich von einem Knacken im Unterholz und vom verhaltenen Fallen der Regentropfen durchbrochen wurde.
Tiere schien es überhaupt keine zu geben, zumindest keine, die sich bemerkbar gemacht hätten. Und auch wenn sich der Junge kurz darüber wunderte, war es ihm eigentlich doch fast lieb so. Ein Wald wie dieser konnte nur schreckliche Ungeheuer beheimaten, und deren Weg wollte er, wenn es sich vermeiden ließ, besser gar nicht erst kreuzen.
Doch ungeachtet der unheimlichen, jedes menschliche Leben abweisenden Umgebung, verspürte Tarean mehr und mehr, wie sich eine bleierne Müdigkeit in seinem Inneren ausbreitete. Der Kampf gegen die Grawls am Abend zuvor, die unruhige Nacht auf dem Friedhof, der lange Marsch und schließlich das Unwetter – all diese Strapazen forderten langsam, aber unerbittlich ihren Tribut. Aber erst als er eine unbestimmte Zeit später eine kleine Lichtung inmitten des Waldes erreichte, auf der drei große Findlinge einen schützenden Halbkreis bildeten, wagte er innezuhalten. Das Unwetter war bereits weitergezogen, und das Gras im Schutz der Findlinge fühlte sich beinahe trocken an. »Wenn es in diesem unseligen Wald einen Ort gibt, an dem ich den Rest der Nacht verbringen kann, dann ist es wohl der hier«, entschied der Junge.
Er legte seinen Mantel und die Tasche auf den Boden, schnallte Esdurial vom Gürtel und lehnte sich seufzend an den mittleren der Findlinge. Für einen kurzen Moment dachte er darüber nach, trockenes Holz zu sammeln und ein kleines Feuer zu entfachen, doch als er sich einmal mehr die Geschichten in Erinnerung rief, die er über den Cerashmon gehört hatte, über lebende Bäume, die mit argwöhnischen Augen das Treiben der zweibeinigen Fremdlinge in ihrer Mitte beobachteten, wagte er es nicht. Stattdessen stand er noch einmal auf, schüttelte den quälend langsam trocknenden Mantel aus und rollte sich dann, in das Kleidungsstück gewickelt und die Schwertscheide wie zum Schutz fest im Arm, auf dem Boden zusammen. Das flackernde Licht der Laterne, deren Docht er heruntergedreht hatte, erschien ihm wie eine Trost spendende Insel aus Licht in einem Ozean der Dunkelheit, und während er müde in die kleine Flamme schaute, spürte er, wie seine Lider immer schwerer wurden.
Da bemerkte er das Auge, das ihn von der anderen Seite der Lichtinsel aus dem rechten Findling heraus anstarrte.
Tarean keuchte erschrocken auf und zuckte zusammen, als habe ihn der Blitz getroffen! Im gleichen Augenblick hatte er das neben sich liegende Schwert gezogen und war auf den Beinen. Dann erkannte er seinen Irrtum – es ist nur eine Maserung im Stein –, und er lachte erleichtert auf.
In diesem Moment blinzelte das Auge, und dem Jungen blieb das Lachen im Halse stecken.
»Heilige Dreigötter!«, entfuhr es ihm, als sich neben dem ersten ein zweites Auge öffnete. Doch erst als alle drei Findlinge um ihn herum gleichzeitig knirschend zum Leben erwachten und Moos, Flechten und Steinstaub von ihnen abfielen, wurde Tarean klar, in welcher Gefahr er sich befand. Trolle!
Er wirbelte herum, rutschte auf dem feuchten Gras aus und legte sich flach auf die Nase. Als er den Kopf hob, starrte er direkt in ein rohes und seltsam unfertig wirkendes Gesicht, so als habe ein Steinmetz nach der Hälfte der Arbeit die Lust verloren und sein Werk unvollendet gelassen. Ein breiter, grotesk verzogener Mund öffnete sich. »Menschling«, grollte der Troll mit mahlender Stimme.
Tarean schrie und krabbelte hektisch zu seiner Tasche und der Laterne hinüber. Als er sich aufrappeln wollte, verspürte er etwas Hartes, das nach seinem Knöchel griff. Ohne hinzuschauen, trat er panisch nach hinten aus, kam dann taumelnd auf die Beine, und all sein Hab und Gut in einem unförmigen Haufen umklammernd, rannte er hinaus in die Dunkelheit.
Ohne auf Weg und Steg zu achten, sprang er über Wurzel und Stein, wich plötzlich
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