Tatsache Evolution
Rensch 1947, Stebbins 1950), deren Hauptinhalte in Kurzform u. a. in einem aktuellen Lehrbuch zusammengefasst sind (Kutschera 2008 a). Worin bestand nun die originelle Leistung von T. Dobzhansky, der gemeinsam mit dem Deutsch-Amerikaner Ernst Mayr zum wichtigsten Begründer des Theorien-Systems zur organismischen Evolution der 1950er Jahre wurde? Dobzhansky übertrug die von Gregor Mendel (1822 bis 1884) formulierten, für Individuen geltenden
Vererbungsgesetze
(bzw. Regeln) (s. S. 66) auf Populationen, arbeitete die
Chromosomentheorie
der Vererbung
ein, übertrug die Begriffe
Phänotyp
(Erscheinungsform des Organismus) und
Genotyp
(erbliche Ausstattung des Individuums) auf Fortpflanzungsgemeinschaften , erkannte in der
genetischen Rekombination
(Umgruppierung der Erbanlagen vor der Gametenbildung) und
erblichen
Mutationen
(über die Keimbahn übertragbare Ab-Änderungen bestimmter Bereiche des Erbguts) die Quelle der biologischen Variabilität und kennzeichnete Arten als sich fortpflanzende Kollektive von Organismen (»Was sich fruchtbar paart, gehört zu einer biologischen Art«). Dieser 1937 formulierte »Dobzhanskyismus « wurde durch die Werke von E. Mayr (biologischer Artbegriff , d. h. Definition der Spezies als reproduktiv isolierte Fortpflanzungsgemeinschaft |89| ; Mechanismen der Speziation) und jene der anderen vier Kollegen (Huxley 1942, Simpson 1944, Rensch 1947, Stebbins 1950) ergänzt, erweitert und modifiziert, so dass eine moderne (Synthetische) Theorie der Evolution formuliert werden konnte (Hauptaussagen, s.Tabelle 3.2 in Kutschera 2008 a). Des Weiteren wurden die Begriffe Mikro- und Makroevolution geprägt, um die Artbildungsprozesse unter Beibehaltung des Grund-Bauplans der betreffenden Organismengruppe bzw. die Herausbildung neuer Körperbaupläne im Verlauf der Jahrmillionen zu charakterisieren (s. Kapitel 7 und 10).
Der Zoologe Julian Huxley (1887 – 1975) führte in seinem 1942 publizierten Buch (Abb. 3.8) zwei entscheidende Begriffe ein. Der Untertitel »The modern Synthesis« führte zur Bezeichnung
Synthetische Theorie der biologischen Evolution
; darüber hinaus erwähnte Huxley (1942) das Wortpaar »Evolutionary Biology« (
Evolutionsbiologie
) erstmals – diese Fachgebietsbezeichnung setzte sich Ende der 1940er-Jahre weltweit durch (Haffer 2007, Kutschera 2008 a, c).
Hätte Charles Darwin im Jahr 1950 eine Prüfung im damals noch jungen Fachgebiet der Evolutionsbiologie bestanden? Diese |90| bereits in einem anderen Zusammenhang diskutierte Frage muss eindeutig mit »Nein« beantwortet werden. Obwohl Darwin über die Formulierung seiner fünf Theorien (Abb. 3.4) zum Urvater der Evolutionsbiologie geworden ist, hätte er mit Begriffen wie »genetische Rekombination, Keimbahn-Mutationen, Gene, Genotyp, Phänotyp usw.« nichts anfangen können – der von Darwin initiierte Wissenschaftszweig hatte sich bereits 1950 so weit über die Grundkonzepte des Nestors hinausentwickelt , dass dieser bei einer Fachprüfung hoffnungslos überfordert gewesen wäre.
Abb. 3.8: Titel des Buchs von Julian Huxley aus dem Jahr 1942, mit Reproduktion des Verlagssiegels. Aus diesem Buchtitel resultierte der Begriff »Synthetische Theorie«. Weiterhin wird am Ende des Textes vom Autor die Fachgebietsbezeichnung »Evolutionsbiologie« eingeführt. Huxley charakterisierte diesen zentralen Bereich der
Life Sciences
als interdisziplinäre Naturwissenschaft , wobei Methoden und Fakten aus der Genetik, der Paläontologie, Geologie, Systematik u. a. Gebiete berücksichtigt werden müssen.
|90| Im »Darwin-Jahr 2009« wären nicht nur der britische Naturforscher , sondern auch die »Architekten der Synthetischen Theorie« vom Umfang und der Komplexität der 1942 gegründeten Fachdisziplin Evolutionsbiologie überwältigt. Dieser Zweig der
Life Sciences
ist, wie z. B. die Biochemie oder die Physiologie, zu einem umfassenden System von Theorien herangewachsen . Die Zahl der die verschiedenen Teilaspekte des Arten- und Formenwandels erklärenden Theorien ist bei über 300 internationalen Fachzeitschriften zum Themenfeld Evolution (einschließlich der Paläontologie) kaum noch überschaubar .
Die modernen Evolutionswissenschaften (
Evolutionary
Sciences
) umfassen, angefangen von Computersimulationen (evolvierende digitale Organismen), folgende Gebiete: experimentelle Evolutionsforschung (Bakterien-Phylogenese und Ribozyme im Reagenzglas), Zellforschung (Symbiogenese bzw. Endosymbiose, s. Kapitel 8),
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