Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
her, während ich sorgsam im Vorbeigehen die Hausnummern absuchte.
Endlich erreichte ich das Haus, dessen Nummer mit der auf meinem Notizzettel übereinstimmte. Ich starrte die cremefarbene Front der Villa an, die in Aussehen und Größe den anderen Residenzen glich, an denen ich bisher vorbeigelaufen war. Vorsichtig stieß ich das Tor des schmiedeeisernen Zauns auf. Ich war mir sicher, dass meine neuen Nachbarn hinter den Gardinen lauern würden, wenn ich gleich Belindas und Harrys Treppe hinaufstieg (wenn sie denn etwas so Schnödes und Gewöhnliches wie Gardinen überhaupt besaßen).
Vor der Haustür blieb ich stehen und kramte in meiner Handtasche. Belinda hatte mir die Schlüssel am Vortag durch einen motorisierten Kurierdienst mit der Begründung zustellen lassen, dass sie niemanden habe, dem sie diese bis zu meiner Ankunft anvertrauen wolle. Offenbar war es um die nachbarschaftlichen Beziehungen in Notting Hill nicht sonderlich gut bestellt.
Ich muss mir wirklich eine neue Tasche zulegen, dachte ich, als ich mit der Hand in den Tiefen meiner Handtasche herumfischte.
»Guten Abend«, rief jemand vom Nachbarhaus herüber.
Ich schaute zu der Stimme hinüber, und an gleicher Stelle, nur ein Haus weiter, stand der junge Mann aus dem Reisebuchladen von eben und suchte nach seinem Schlüssel. Jetzt trug er weder seinen Regenmantel, noch hatte er Einkaufstüten in der Hand, sondern war ganz lässig in Jeans, T-Shirt und eine braune Lederjacke gekleidet.
»Was machen Sie denn hier?«, platzte es aus mir heraus.
Er sah mich überrascht an. »Ich könnte Sie das Gleiche fragen. Wo sind Belinda und Harry?«
»Sie sind für die nächsten Wochen in Urlaub gefahren. Ich … Ich werde in der Zwischenzeit ihr Haus hüten.«
Kein Wunder, dass sie bis zu meiner Ankunft ihren Haustürschlüssel nicht den Nachbarn überlassen wollten , dachte ich, als ich endlich auf etwas Metallisches stieß.
»Das scheint mir eine plausible Erklärung zu sein.«
Na dann auf gute Nachbarschaft , dachte ich angesäuert und steckte den Schlüssel ins Schloss. »Ist sonst noch etwas?«, fragte ich, drehte mich zu ihm um und hob die Augenbrauen in einer – wie ich hoffte – hochmütigen Art und Weise, die ihm klarmachen sollte, dass ich wirklich keine Zeit hatte für seine albernen Fragen.
»Doch, ich habe in der Tat noch eine Frage. Warum haben Sie eben gedacht, ich würde in dem Buchladen arbeiten? Sehe ich etwa aus wie ein Verkäufer?«
Ehrlich gesagt, hatte er keineswegs so ausgesehen, als ich ihn genauer ins Auge gefasst hatte. Seine Haltung hatte eher ein klares »Leg dich ja nicht mir mir an!« ausgedrückt als ein freundliches »Kann ich Ihnen helfen?«.
Mein neuer Nachbar war groß, hatte strubbeliges, sandfarbenes Haar und starrte mich vorwurfsvoll an. Seine Augen waren von einem strahlenden Hellblau, und er hatte eine Augenbraue skeptisch hochgezogen, sodass er mich definitiv an Jude Law aus Liebe braucht keine Ferien erinnerte. Schnell schob ich diesen Gedanken beiseite. Nein, diese ganze Filmgeschichte ging nun wirklich ein wenig zu weit.
»Ja, offensichtlich – sonst hätte ich Ihnen diese Frage wohl kaum gestellt. Hören Sie, ich weiß im Augenblick gar nicht, wo mir der Kopf steht, schließlich bin ich gerade erst angekommen.«
Ich hatte gehofft, dass er Mitleid mit mir haben und sich inständig dafür schämen würde, so gemein zu mir gewesen zu sein. Stattdessen fuhr er ungeniert mit seiner Befragung fort.
»Kommt es eigentlich öfters vor, dass Sie nicht wissen, wo Ihnen der Kopf steht? Haben Sie immer Probleme damit, Ihre Gedanken in eine vernünftige Reihenfolge zu bringen?«
Okay. Ich hatte Oscar zunächst für ein wenig irre gehalten, aber im Vergleich zu diesem Kerl hier schien er absolut gescheit und zurechnungsfähig zu sein.
»Nein, normalerweise nicht. Warum?«
»Nur so«, erwiderte er und drehte sich um. Er schloss seine Tür auf und stieß sie einen Spaltbreit auf. »Ihr T-Shirt behauptet nur leider das Gegenteil.« Dann lächelte er mich süffisant an, betrat sein Haus und schloss die Tür hinter sich.
Ich starrte auf Oscars T-Shirt hinunter, das unter meiner geöffneten Jacke hervorschaute. Ich war so sehr in unser Gespräch vertieft gewesen, dass ich dem Aufdruck darauf überhaupt keine Beachtung geschenkt hatte.
Auf dem marineblauen Shirt stand in großen weißen Buchstaben:
ICH KANN KEINEN KLAREN GEDANKEN FASSEN.
5
S obald ich die Tür aufschloss, bombardierte ein schriller,
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